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Interview mit SEAFRET

Geschrieben von am 26. April 2020

Vor eineinhalb Monaten war noch alles anders! Kurz vor den Corona-Maßnahmen hatte unsere Radio Q-Reporterin Timea Wanko noch die Möglichkeit, die Band SEAFRET zu interviewen. Am 05.03.2020 im LUXOR in Köln.

Energetisch und trotzdem soft, Pop und Indie mit folkigen Elementen, sanfte, mitreißende Texte – das sind Seafret, sind Sänger Jack und Gitarrist Harry.

Die beiden lernten sich vor einigen Jahren bei einer Open-Mic-Night in ihrer Heimat in Nordengland kennen. Da war Harry sogar erst 15 Jahre alt, spielte Banjo und faszinierte Jack von der ersten Minute an. Seitdem sind sie sehr gut befreundet: „Wir haben uns zuerst angefreundet und dann kam die Musik“, beteuert Jack.

Seit dem ersten Aufeinandertreffen ist einige Zeit vergangen: Am 13. März erschien ihr zweites Album „Most Of Us Are Strangers“, womit sie, soviel sei schon verraten, auch auf ihre Kennenlerngeschichte anspielen. Über das Album, die Tour und weitere persönliche Anekdoten habe ich mit den beiden vor ihrem Konzert in Köln im LUXOR gesprochen.

Ende Februar startete Seafrets Europa-Tour – in den ersten zwei Wochen klapperten die beiden bereits alle großen Städte ab: Amsterdam, Kopenhagen, Berlin, Prag, Budapest, Wien und Paris. Auch ganz im Norden, in Oslo, waren Jack und Harry – die Stadt hat beiden besonders gut gefallen, auch wenn bei dem straffen Zeitplan nie so viel Zeit für Sightseeing bleibt.

Als ich Jack und Harry dann in Köln vor dem Konzert treffe, sind die beiden ein bisschen müde – aber nicht vom ganzen Reisen, nein, es ist ein gutes, glückliches Müde: „Wir fühlen uns recht fresh, obwohl wir schon seit zweieinhalb Wochen unterwegs sind“, erklärt mir Harry. Jack ergänzt, ein bisschen stolz und grinsend: „Wir hatten einen Wellness-Tag heute. Wir waren schwimmen, in der Sauna und wurden massiert.“ Von einem erholsamen Tag in den Thermen entspannt, quatschen wir ein bisschen über ihr neues Album.

Jack fängt an zu erzählen, dass die beiden ihr Album in einem Rutsch in sieben Wochen in Schottland aufgenommen haben: „Das Album hat erst im Studio so richtig Form angenommen.“ Der Albumtitel „Most Of Us Are Strangers” entstand dann ganz von selbst. Er spricht zwar auf die Kennenlerngeschichte von Jack und Harry an, geht aber noch einen Schritt weiter: „Wir haben uns für diesen Track entschieden, weil er davon handelt, sich zu öffnen und sich nicht zu verstecken. Und viele der Songs auf dem Album haben im Kern genau diese Message. Darum hat sich der Song einfach passend als Albumtitel angefühlt.“ Harry fügt noch hinzu: „Den Song haben wir sogar als letztes geschrieben. Uns hat genau noch ein Song, ein Puzzleteil, gefehlt. Sobald wir dann den Song geschrieben hatten, hat einfach alles zusammengepasst. Darum hat er uns auch viel bedeutet und war etwas Besonderes.

Als die ersten Songs des neuen Albums in die Musikstreamingdienste eintrudelten, packte mich persönlich sofort der Song „Fall”. Die Zeilen sprachen mich direkt an: Don’t sit and wait, just stare at the door. Take the risk, it’s worth getting caught.“ (In etwa: „Sitze nicht und warte, nur die Türe anstarrend. Entscheide dich für das Risiko, es ist wert, erwischt zu werden.“) „Zu dem Song hat uns die Situation mit unserem damaligen Label inspiriert. Es hat sich so angefühlt, als hätte uns jeder aufgegeben, auf eine Art und Weise. Wir haben danach viele Songs geschrieben, welche es nicht aufs Album geschafft haben, aber dieser hier ist hängen geblieben. Man kann ihn gut live spielen und es steckt eine gute Bedeutung hinter den Lyrics, deshalb wollten wir, dass der Song Teil des Albums ist.“ Auch die anderen Songs entspringen meist aus Ideen, Gefühlen und Erfahrungen persönlicher Ereignisse – Jack fasst kurz und knackig ihre Inspirationsquellen zusammen: „Reisen, neue Menschen kennenlernen, in Schwierigkeiten geraten, wieder aus diesen Schwierigkeiten geraten.“ Sympathisch.

Jacks persönlicher Lieblingssong des neuen Albums ist „Be My Queen”, weil man ihn besonders gut live spielen kann. Aber wie das so ist, wenn man ein Lieblingskind aus vielen auswählen muss, ergänzt er schnell: „Aber ich genieße sie alle, weil sie so neu und frisch sind.

Wir reden weiter über das Album und die Hintergründe. Denn seit dem ersten Album „Tell Me It’s Real”, das vor vier Jahren erschien, hat sich einiges bei den Jungs verändert. Die beiden sind nicht mehr bei einem großen Plattenlabel unter Vertrag. Somit produzierten Jack und Harry ihr neues Album zusammen mit einem Produzenten aus Schottland selbst. Abwechselnd erzählen Jack und Harry von dieser neuen Erfahrung und den versteckten kleinen Geschichten hinter dieser Entscheidung.

Harry erklärt zu Beginn: „Ja genau, wir haben eigentlich alles selbst gemacht. Beim ersten Album hatten wir ein großes Label, da konnten wir alles, was wir wollten, auf das Album haben. Dieses Mal aber waren wir viel eingeschränkter.” Jack ergänzt lachend: „Weil wir ja dafür bezahlen mussten.“ „Was gut war – wir mussten unsere eigenen Sounds kreieren statt einfach nur so sagen ‚Ich möchte diesen fancy Klaviersound haben‘ und das Label macht uns den sofort.“,  fährt Harry weiter fort. „Wir mussten also wirklich unsere eigenen Sounds kreieren, was Spaß gemacht hat, aufregend war und am Ende unglaublich belohnend.“  

Jack plaudert noch weiter aus dem Nähkästchen – denn neben der Umstellung, vieles nun selbst in die Hand zu nehmen, kamen auch ein paar andere Hürden hinzu: „Wir hatten viel Druck während unseres Schreibprozesses der neuen Songs, denn wir hatten nur sieben Wochen Zeit dafür. Und die Frau unseres Prozenten war schwanger und stand kurz vor der Entbindung – also haben wir Hotels nur für fünf Tage gebucht, denn es könnte ja passieren, aber es ist nicht passiert, also haben wir zwei weitere Tage gebucht und es ist nicht passiert … Wir haben versucht, zu schreiben, aufzunehmen und fertig zu werden, immer mit dem Gedanken, dass wir das Ganze vielleicht abbrechen müssen. Und das war der einzige Zeitpunkt, an dem wir mit dem Produzenten zusammenarbeiten konnten. Aber, wir haben es geschafft, fertig zu werden. Dann hatten wir einen Termin mit dem Management – wir haben dann alle in das neue Album reingehört und die anderen meinten ‘Das ist so gut!!’ – Gott sei Dank!

Seafret brauchten diese Freiheit, in kleinem Kreis ihr Album produzieren zu können. Passend dazu haben die Jungs auch London, wo sie vier Jahre gewohnt haben, den Rücken zugekehrt. Die beiden sind zurück in die Nähe ihrer Heimatstadt Bridlington in Nordengland gezogen. „Wir sind definitiv fertig mit London. Wir hatten genug.“, steigt Jack direkt ein, sobald wir uns dem Thema annähern, setzt dann aber nach: „Wir lieben London und brauchten die Zeit dort. Es war faszinierend und inspirierend für uns.“ Harry ergänzt: „Aber jetzt, wenn wir hingehen, ist es mehr wie eine Belohnung. Aber jeden Tag dort aufzuwachsen, war ein bisschen zu schnelllebig für uns. Wir sind es gewöhnt, ein bisschen gemütlicher zu sein.“ Ich hake genauer nach und frage, ob sich ihre Musik durch den Umzug denn auch verändert hat: „Es war eher eine persönliche Entscheidung – und wir sind viel glücklicher so, was man bestimmt auch in der Musik merkt, hoffentlich. Es hat sich einfach sehr entspannend angefühlt, unsere Familie und die Kinder in unserer Familie zu sehen. Es war eine echte Auszeit, eine wirkliche Erholung. Aber wir wussten immer schon, dass es uns wieder zurückzieht.“ Beide schwärmen auch von der wunderschönen Natur ihrer Heimatregion, die für sie ein absoluter Rückzugsort ist.

Im Laufe des Interviews konnte ich die freundschaftliche Verbindung von Jack und Harry immer wieder spüren. Beide wechselten sich reibungslos beim Sprechen ab, ergänzten einander, scherzten herum und teilten viele Erinnerungen. Kein Wunder also, dass die beiden viel zusammen machen, auch außerhalb ihres Bandablaufs. „Wir gehen in den Pub, spielen Pool, gehen wieder in den Pub – wir machen alles Mögliche zusammen – fahren Fahrrad, gehen zum Stand, gehen zelten, fischen, alles Mögliche halt.

Jack und Harry haben mit Begeisterung über ihr neues Album geredet und hinter die Kulissen blicken lassen. Ihre Lockerheit und Freundlichkeit haben mich überzeugt und immer wieder zum Lachen gebracht. Die Veränderungen der letzten Jahre scheinen den beiden gut getan zu haben. Dabei ist ein frisches Album mit viel persönlichem Input entstanden, das perfekt in die Frühlingstage passt – hört doch mal rein!

Von Timea Wanko