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Interview mit Joris

Geschrieben von am 14. Juni 2019

Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, der Geruch von fettigen Pommes und süßen Crêpes liegt in der Luft und die Menschen laufen gut gelaunt Eis essend durch die Stadt– es ist Stadtfest in Hamm und das perfekte Sommerwetter dafür. Doch bevor es auch für sie ins Getümmel geht, ist RadioQ-Musikreporterin Sophia Alverdes noch mit Joris verabredet. Mit ihm quatscht sie über sein aktuelles Album, Traditionen auf Tour und wie wichtig politisches Engagement von Künstlern in der heutigen Zeit ist.

Seid ihr gut angekommen?

Wir sind tatsächlich wunderbar angekommen, wir waren gestern Abend beim Donauinselfest in Wien, das war ein sehr langer und großer und intensiver Abend und wir hatten sehr wenig Schlaf, aber heute sind wir trotzdem sehr schnell und bequem rüber gekommen und es hat alles sehr gut funktioniert.

Du bist in Vlotho aufgewachsen, das ist gar nicht so weit weg von hier. Hast du irgendeine Beziehung zu Hamm, irgendwas was du mit Hamm verbindest?

Ich verbinde hauptsächlich, jetzt etwas salopp gesagt, mit Hamm, dass hier meist die Züge getrennt werden. Ansonsten bin ich hier sehr oft dran vorbeigefahren, Kamener Kreuz natürlich ein fürchterlicher Stauspot. Ansonsten habe ich von Hamm noch gar nicht so viel gesehen, außer heute eben, die Stadt ist mir etwas verwehrt geblieben.

Ja das geht mir ähnlich, ich habe da ähnliche Assoziationen mit Hamm. Dein zweites Album „Schrei es raus“ ist jetzt ungefähr ein dreiviertel Jahr draußen, wie waren diese 8 Monate für dich, ist alles so gelaufen, wie du es dir vorgestellt hast?

Eine gute Frage. Also, es ist auf jeden Fall nach wie vor immer wieder spannend Musik zu veröffentlichen und für mich war das jetzt das zweite Studioalbum, das heißt ich hatte ein bisschen mehr Zeit für das Album als beim ersten Album und hatte auch ein bisschen mehr Möglichkeiten Dinge auszuprobieren. Das heißt, man hat sehr sehr lange daran gearbeitet, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und jetzt war es eben so, dass wir über sechs Monate hinweg schon Songs aus dem Album gezeigt haben und jetzt seit Oktober das Baby quasi auf der Welt ist und ich bin sehr sehr stolz drauf und freu mich darüber sehr. Ich bin nach wie vor auch großer Fan von diesem Album, weil ich glaube, dass es eben etwas künstlerischer geworden ist und sehr sehr viel ausdrückt, von dem was ich in Musik ausdrücken mag.

Du hast es grad selbst schon gesagt, ihr habt schon sechs Songs vor Albumrelease rausgebracht. Warum habt ihr euch dafür entschieden und meinst du nicht, dass dadurch der Zauber eines Albums so ein bisschen verloren geht?

Es kann auf jeden Fall, glaub ich, für manche Leute, die auf ein Album warten und darauf warten wie auf ein Weihnachtsgeschenk quasi, wenn man dann so peu a peu mitbekommt, was im Weihnachtsgeschenk so alles drin ist, ist das natürlich ein bisschen spoilernd. Aber heutzutage ist es eben so, dass sehr sehr viel Musik auch gestreamt wird und sich dieser ganze Prozess des Hörens sehr verändert und insofern war das für uns eine super Sache, dass wir quasi schon für die Leute, die sehr viel streamen, auch Monat für Monat die Songs in den Mittelpunkt rücken konnten. Und dadurch eben nicht auf einen Schlag 13 Songs da sind und man vorher vielleicht eine Single gehört hat, sondern jeden Monat schon jeder Song, auch mit einem eigenen Cover, mit einem Artwork, mit einem eigenen kleinen Video, versehen sehr sehr viel mehr Licht bekommen hat.

Glaubst du, dass dann in Zukunft Alben eigentlich gar nicht mehr nötig sind und dass man eigentlich nur noch hintereinander Singles rausbringen könnte? Oder ist das Album dann doch noch ein Medium, was bleiben wird?

Ich glaube es kommt auf den Künstler, die Künstlerin an, wofür sie stehen und was sie für eine Art von Musik machen. Ich glaube, dass in der heutigen Zeit, zum Glück, sehr sehr viel Musik zugänglich ist und quasi jeder auch die gleichen Möglichkeiten hat seine Songs zu präsentieren. Auf der anderen Seite, leider, eben auch alles sehr viel schnelllebiger geworden ist. Ich selber kenne das auch von mir, dass ich wirklich, vielleicht ein Mal die Woche mich hinsetze und ein ganzes Album wirklich höre. Ich glaube das war früher ein bisschen anders, als man sich eine Platte gekauft hat, vielleicht auch drauf gefreut hat, dann lief die halt im Auto und Zuhause immer wieder im Kreis und man hat sich das öfter angehört. Heutzutage ist Musik halt in jeder Form, immer und überall verfügbar und ich glaube, dadurch hat natürlich dieses „Singlebusiness“ oder dieses „Track by Track“ einfach sehr sehr viel mehr Bedeutung bekommen, was eben schön sein kann, was aber auch für Künstler wie mich, die auch darauf stehen, ein ganzes Album zu machen und auch ein ganzes Kunstwerk zu präsentieren, was dann auch für sich steht, für die Zeit steht, in der man gerade ist, ein bisschen schwierig.

Zu der Albumsingle „Du“ kam dann gleich eine ganze EP mit verschiedenen Versionen zusammen mit Moop Mama, Fettes Brot, Lary und dem Paranormal String Quartett – wie kam es dazu?

Also der Song „Du“ behandelt ja das Leben an sich. Er kommt erstmal ein bisschen daher wie eine Liebesgeschichte, ist aber eine Liebesgeschichte ans Leben. Insofern kennt jeder von uns, egal ob man Musik macht, ob man Film macht, ob man was ganz anderes macht, jeder von uns hat von Tag eins an eine Beziehung zu diesem Etwas, das Leben. Und insofern fand ich es sehr sehr spannend diese Vielfältigkeit auch aufzuzeigen in Form von Musik und ganz verschiedene Arten von Versionen zu haben. Mit Lary, eine sehr klassische Version, mit dem Paranormal String Quartett, mit Fettes Brot natürlich eine sehr bekannte HipHop-Kombo und eben mit Moop Mama eine Brass-HipHop-Kombo, wo es nochmal ganz anders klingt. Ich finde jede einzelne Version hat eine totale schöne Facette an sich und zeigt sogar mir nochmal, was der Song noch alles zeigt. 

Deine Band besteht aus deinen besten Freunden und ihr tourt nun schon seit einigen Jahren zusammen durchs Land – gibt es da feste Rollenverteilungen, wie zum Beispiel der eine ist für die Snacks verantwortlich, der andere für die Unterhaltung?

Also für die Unterhaltung sind wir gefühlt alle verantwortlich, also das ist immer Abend für Abend unterschiedlich, wer da gerade den Stift in der Hand hält. Aber es gibt natürlich so ein paar, ich sag mal Attribute, die jeder mitbringt. Mein Gitarrist Wolle zum Beispiel ist eigentlich immer derjenige an den wir uns alle wenden, wenn wir irgendwas zu besprechen haben oder wenn wir irgendwie das Gefühl haben, dass wir mal jemanden brauchen, der zuhört und für so ziemlich jede Situation irgendwie Verständnis aufbringen kann. Und zum Beispiel der Tobi, der Bassist, ist einer meiner längsten Freunde aus der Band, wo ich genau weiß, mit dem Typen kann ich Abend für Abend wundervoll feiern.

Wie kriegt ihr lange Busfahrten rum? Musikplaylists, Podcasts, Netflix oder doch Stadt, Land, Fluss?

„Ich sehe was was du nicht siehst“, meistens. Nee, also ist es so, dass wir natürlich nachts fahren, wir haben Betten in unserem Tourbus, so dass wir schlafen und davor ist es so, dass wir meistens noch sehr aufgeputscht sind von den Konzerten, da hat man ziemlich viel Adrenalin im Körper und hat auch meistens auf dem Festival schon ein bisschen gefeiert und kommt dann quasi in so ein künstliches Surrounding, wo es auf einmal sehr ruhig und sehr eng ist und sehr nah beinander plötzlich wieder ist und da wird meistens sehr viel gute Musik gehört und ein paar Getränke getrunken.

Wenn ihr dann angekommen seid, gibt es Traditionen, die am Showtag nicht fehlen dürfen?

Eine natürlich etwas alltägliche Tradition ist der Soundcheck, das heißt jeden Tag, wenn irgendwie möglich, versuchen natürlich die Tontechniker und die Lichttechniker und wir als Band uns auf die jeweilige Bühne einzustellen. Ansonsten gibt es für mich die Tradition, dass ich immer eine Stunde vor dem Konzert auch anfange mich einzusingen, mich warm zu machen. Und wir trinken sehr sehr gerne nachmittags mal einen Kaffee zusammen.

Letzte Woche wurde deine Teilnahme am #wirbleibenmehr Festival in Chemnitz angekündigt, auf deinen Konzerten sprichst du eigentlich immer aktuelle Politik an. Wie wichtig ist es für Künstler heutzutage öffentlich politisch Stellung zu beziehen?

Ich glaube, das würde ich sogar noch ein bisschen weiter aufgreifen. Ich glaube es ist für jeden Menschen heutzutage wichtig, die aktuelle Politik zu verstehen und auch zu wissen, was gerade vor sich geht. Und wenn man sich die Weltgeschichte anschaut, gab es immer Brandherde und es war auch nie komplett friedlich, vielleicht mal zur Zeit der Dinosaurier, aber bei uns leider nie. Trotzdem ist es so, dass wir gerade sehr große gesellschaftliche Probleme vor uns haben. Dazu gehört natürlich dieses auseinanderdriften von arm und reich, aber dazu gehören auch solche Dinge wie der Klimawandel und da finde ich es aktueller den je, dass wir auf jeden Fall diese ganzen Probleme halt nur gemeinsam bewältigen können. Insofern ist es mir sehr wichtig auf der Bühne den Leuten Mut zu machen und jetzt auch nicht zu sagen „Wählt bitte das oder wählt bitte dies“, sondern natürlich kann ich dafür Werbung machen, dass man die demokratischen Grundwerte wählt, aber ansonsten ist das nicht meine Aufgabe. Sondern meine Aufgabe sehe ich darin ein Bewusstsein dafür zu schaffen, für die Themen, für die ich mich einsetze natürlich erst recht. Auch Viva Con Agua zu unterstützen und die Kinderdörfer zu unterstützen, also viele viele Dinge, die ich machen kann und gleichzeitig aber auch darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, dass wir uns bewusst machen, dass auf einem Festival vier Tage lang Leute, egal wo sie herkommen, egal welche Religion sie haben, egal welche Hautfarbe sie haben, einfach zusammen sind und das Leben feiern. Und dass meistens in den schönsten Farben und ich wünsche mir eigentlich, dass das auch für die echte Welt ein bisschen mehr gelten würde.

So als Campusradio interessiert uns natürlich auch dein universitärer Werdegang – Ich habe herausgefunden, dass du angefangen hast Rechtswissenschaften zu studieren, aber eigentlich mit Medizin geliebäugelt hast und schließlich über Ton- und Musiktechnik in Berlin an der Popakademie in Mannheim gelandet bist. Klingt, als hättest du dich schwer entscheiden können…?

Also erstmal: Gut recherchiert! Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass jeder das kennt, gerade nach dem Abi ist es so, oder allgemein nach der Schule, dass man auf einmal fertig ist mit einem Prozess, bei dem eigentlich selbstverständlich ist, dass man ihn Tag für Tag halt macht, mit diesen Leuten, mit denen man zusammen zur Schule geht auch Tag für Tag zusammen ist und man weiß irgendwie von Anfang an, dass diese Zeit irgendwann zu Ende ist, aber auf ein Mal ist sie zu Ende. Und dann steht einem die ganze Welt offen. In den besten Fällen, wenn man so wie wir sehr privilegiert in Westeuropa aufgewachsen ist und ich sogar heterosexuell, männlich, weiß bin. Und auch das kann trotzdem, man mag es kaum glauben, dazu führen, dass man sich denkt „Oh, das ist jetzt irgendwie ein Problem, weil was möchte ich jetzt eigentlich genau machen?“ Und ich hab mir sehr viele Dinge vorstellen können, die Musik war seitdem ich 5 Jahre alt bin an meiner Seite und ich hab mich dann dafür entschieden und das einfach mal auszuprobieren und bin nach wie vor sehr sehr glücklich damit.

Das Publikum beim anschließenden Konzert war auch sehr glücklich mit Joris Musik und hat den lauen Sommerabend mit dem ein oder anderen Bierchen, Pommes oder leckeren Crêpe ausklingen lassen.