Interview mit Fortuna Ehrenfeld
Written by Philipp Saukel on 29. März 2019
Fortuna Ehrenfeld – was beim ersten Hören einen Fußballverein erwarten lässt, ist in Wirklichkeit ästhetischer, oft melancholischer Indiepop aus Köln. Martin Bechler, das Powerhouse hinter Fortuna Ehrenfeld, erzählt Radio Q auf dem Nah-am-Wasser-Festival, was seine Musik für ihn bedeutet – und warum Popmusik unwichtig ist. Und ob er tatsächlich arschfi-fixiert ist.
Ihr hattet vor kurzem Tourpause, aber ich hab gelesen, dass ihr dabei auch Wohnzimmerkonzerte gegeben habt. Macht ihr das öfter?
Wir sind ja Januar-Februar-März hardcore getourt. Wir sind noch ein sehr junges Start-up-Unternehmen. Das war das erste Mal, dass wir es so richtig wissen wollten und das war ganz wundervoll. Es ist so, wie es alle sagen: Danach kommt ein großes, großes Loch und man sitzt in Köln rum und weiß nicht so genau, was man mit sich anfangen soll. Nicht, dass es da nicht genug zu tun gäbe. Dann ging die Festivalsaison los. Das ist halt so: du kriegst immer nur ein Häppchen vorgeworfen, darfst Freitag und Samstag spielen, kommst wieder nach Hause und sagst: Ey, was los, Mann? Das hat uns einfach nicht gepasst und dann haben wir über Facebook noch ein paar Wohnzis – wie wir Fachleute sagen – ausgerufen und die Reaktion war überwältigend. Und die pappen wir jetzt da dran, damit wir einfach im Saft bleiben – weil wir Arschbock haben, zu spielen.
Du bist ja auch schon lange im Musikgeschäft. Erst mal dein Musikwissenschaftenstudium …
Sagen deine Unterlagen? [lacht] Ja, das ist schnell erzählt. Ich nehm dir die Frage mal ab. Ich hab mein Leben lang eigentlich in der Medienproduktion aus der zweiten und dritten Reihe gearbeitet.
Das war vollkommen in Ordnung so und ich hatte ein wundervoll spannendes Leben. Ich hab dann viel für andere geschrieben – und das, was wir hier spielen, ist der Mülleimer. Das ist das, was immer liegen blieb. Die sind mir dann aber immer so ans Herz gewachsen. Und dann hat ein sehr erfahrener und gut befreundeter Produzent gesagt: Alter, das musst du mal machen, bitte. Und damals war ich Anfang-Mitte 40 und hab gesagt: Digger, wer wartet denn jetzt auf die Scheiße? Und der sprach den epischen Satz: Alter, mach das, sonst bist du ein Idiot. Und dann haben wir das einfach mal aufgenommen und der Rest ist Geschichte, weil dann kam das Grand Hotel van Cleef aus Hamburg und alle haben mir mächtig in den Arsch getreten, gefälligst auf ne Bühne zu gehen und das zu machen. Und das fühlte sich direkt so gut und natürlich und bockig an. Auf einmal ging die Reise los.
Hättest du dir denn auch vorstellen können, schon in meinem Alter auf der Bühne zu stehen?
Also, das erste Mal hab ich auf der Bühne gestanden mit 13 im Luftkurort Nümbrecht beim Kinderkarneval in einer Neue-Deutsche-Welle-Band und hab Trio gespielt. Da war es um mich eigentlich schon geschehen. Dann hab ich mich so zu Schul- und Unizeiten in unsäglichen Psychedelic-Rockbands mit langen, wehenden Haaren und stinkenden Lederhosen rumgetrieben, um während des Studiums zu merken, dass das zu überhaupt nichts führt. Es hat dann tatsächlich eine Weile gedauert, bis ich das hier gefunden hab, was verfolgenswert ist und bis ich eine Sprache gefunden hab, wo ich auch wusste: Die möchte ich rausschießen. Das darf nicht im Schrank liegen bleiben.
Alter, mach das, sonst bist du ein Idiot. Hört sich fast wie ein Songtext von dir an.
Schreib du den doch!
Das ist ja jetzt auch eine neue Sache, die in Zukunft noch einiges bringt. Jetzt kam Anfang dieses Jahres eure Single „Arsch am Meer“. Richtig hoffnungsvoll, vielleicht im Vergleich zum letzten anders.
„Arsch am Meer“ war ein totales Side-Dings. Singles machen wir ja gar nicht mehr – gibts ja eigentlich gar nicht mehr. Ich wurde gebeten, für eine tolle Festival-Reihe – Beach Motel van Cleef, die es leider nicht mehr gibt oder vielleicht in anderer Form aufgelegt wird – so eine Art Hymne zu schreiben. Das hab ich für groben Unfug gehalten, weil so einen Quatsch mach ich nicht. Ich mach ja auch keine Joghurtwerbung, weißte? Dann lag diese Skizze rum und die hab ich dann dummerweise meinen Musikern und auch meinem Label gezeigt und alle waren irgendwie schockverliebt. Wir wollten irgendwie dieses Ding haben und das ist dann wirklich so eine Seven-Inch geworden. So einen Gegenstand hat man halt gern. Aber Arsch am Meer ist in dem Sinne nicht als Single zu verstehen.
Aber Arsch am Meer ist ja trotzdem eine Weiterentwicklung.
Von und wohin?
Von Hey Sexy.
Ist das so? Och… Wissen se… [lacht] Das interessiert mich ‘nen Scheißdreck. Ich finde den Song gut und fertig. Ehrlich. Aber im Ernst: Bei nichts, was wir tun, steckt irgendwo ein intellektueller Ansatz dahinter. Ich überleg schon gut, was ich tu, aber ich halt mich nicht auf mit Diskussionen über mein eigenes Zeug. Das sind Popsongs, weißte? Popsongs sind nicht wichtig. Das verwechseln viele Leute. Das verwechseln vor allem viele Künstler. Viele Pop-Künstler halten sich für wichtig. Dem ist nicht so. Viele Pop-Künstler halten ihre Songs für wichtig, aber ein Popsong ist ein Gebrauchsgegenstand, der schnell mal durchgeorgelt wird: Beim Bügeln oder beim Sportmachen oder beim Vögeln, oder wo auch immer man gerne Musik hört. Und so seh ich das: Ich halt mich nicht auf mit intellektuellen Gedankenwürsten.
Das Wesen von Popkultur ganz gut zusammengefasst gerade.
Ne? „Geht sterben alle, Künstlerschweine, Künstlerschweine, ja, ich breche euch die Beine.“ Ne, ist doch so. Guck mal: Popkünstler – weil irgendeine Pfeife vom Radio ihnen sagt, der Song wär jetzt irgendwie wichtig, weil er soundso viel Geld umgesetzt hat – die nutzen das als Wägelchen, um der ganzen Welt mit ihren Befindlichkeiten auf den Sack zu gehen. Popkünstler sind nicht wichtig. Das sollte man denen auch mal sagen.
Dieser Anspruch – den du ja nicht hast – daran, intellektuelle Sachen zu machen, äußert sich ja auch so ein bisschen in den Lyrics, wenn du jetzt von Arsch am Meer singst oder…
Den hast du gefressen, den Song, oder?
Ich hab den echt gefressen. Du hast ja gesagt, dass du willst, dass die Geschichte im Kopf deiner Zuhörer entsteht – meine Herangehensweise daran ist, dass es immer so Hindernisse sind, denen Menschen begegnen, mit denen sie klarkommen müssen. Sowas wie: „Viel zu müde, aber nicht pennen können, viel zu aggro, aber nicht flennen können“. Ist deine Musik auch Therapie?
Naja, für mich auf jeden Fall, weil irgendwie muss man die Zeit ja rumkriegen. Damit will ich aber sagen, dass das vor allem mit diesem ganzen Team, was ich jetzt gefunden hab klappt – an erster Stelle meine Band, aber auch Agentur und Label und so. Das ist eine dermaßen segensreiche arschlochfreie Zone, das halte ich für eine sehr sinnvolle Art und Weise, meine Zeit rumzukriegen und was Sinnvolles zu tun. Therapie? Och… Ich müsste das nochmal wiederholen, was ich grad gesagt hab: Musik ist ein Gebrauchsgegenstand, den benutzt man zu was, um sich in eine gewisse Stimmung zu bringen, oder vielleicht ist die Stimmung auch beim Song da und du lässt dich mittragen und so. Das ist ein sehr direkter, unmittelbarer Impuls und dann mehr aber auch eben nicht.
Ich bin immer noch ein bisschen bei diesen Ärschen hängengeblieben.
Ja, wer nicht, junger Freund?
Auch eine meiner Lieblingszeilen – Glitzerschwein: „Ich zeig dir, wie der Arsch der Welt dein Innerstes zusammenhält.“
Goethe für Arme ist das. [lacht]
Ich bin ja Germanistikstudent, irgendwie muss ich das mögen. Echt so hübsch. Ist das jetzt noch Arschfi-fixierung oder schon Fäkalästhetik?
Hast du grad Arschfick-Fixierung gesagt oder war das nur gestottert?
Wer weiß?
Freunde – der ist vom Teufel besessen. Also Punkt eins: Es werden keine Texte kommentiert, weil das gilt nicht. Das ist Blödsinn. Wenn ich das jetzt kommentiere und wenn ich dir das erkläre, dann ist es vorbei. Du hast es grad selber gesagt: Ich will, dass die Story sich im Kopf des Hörers zusammenfügt. Wenn ich mich als Maler ins Museum stell und da ist ein blaue Strich und sag: Das ist der Sonnenuntergang von Laboe, dann nehme ich dem Betrachter die schöne und die bock-machende Leistung ab, sich selber was unter diesem scheiß blauen Strich vorzustellen. Texte werden nicht kommentiert, eine Arsch-Fick-Fixierung ist mir in meinem Leben bis jetzt noch nicht bekannt gewesen. Wenn, dann höchstens aus ästhetischen Gründen.
Eine Frage hab ich noch. Ihr habt ja gestern oder vorgestern ein Video auf Facebook gedroppt, in dem ihr ein neues Projekt, vielleicht auch irgendwas anderes, jedenfalls mit ganz vielen Bläsern angekündigt habt. Kannst du da ein bisschen mehr zu sagen?
Ne. [lacht] Wir haben da was vor und verraten es nicht – und deswegen stellt man das ja so mysteriös da rein. Weil im besten Fall es Spaß machen soll, dass da jetzt drüber gegrübelt wird. Ich kann so viel verraten: Es wird noch diesen Sommer stattfinden und es wird zauberhaft. Wir haben da geprobt mit einem Blasorchester – mit einem arschfickfixierten Blasorchester – aus Wernigerrrode, und das wird ganz toll. Aber es wär halt auch doof, wenn ich es verrate, denn dann ist es ja raus. Dauert nicht mehr lang.
Geheimnisse sind Geheimnisse, weil sie Geheimnisse sind.
Ein schönes Schlusswort, finden Sie nicht, junger Kollege? [lacht]
Ich bedanke mich für das Interview!
Danke, voll schön!
Foto: Philipp Saukel