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Vernetzung schafft Spaltung – Résumé zum Historiker-Tag in Münster

Geschrieben von an 1. Oktober 2018

3.700 Schlüssebänder für 3.7000 Historiker/-innen

Rote um den Hals gehängte Schlüsselbänder waren das Erkennungszeichen der letzten Tage in Münster, wer es trug, partizipierte am Historikertag.

Vom 24.-28.9. fanden sich mehr als 3.700 Historiker/-innen an der Uni ein, um über aktuelle Themen und Ideen in der Geschichtswissenschaft zu diskutieren. Das Oberthema des 52. Historikertags lautete “Gespaltene Gesellschaften” –  ein aktuelles Thema gerade in der heutigen Zeit.

Als Einstimmung sprach Montagabend der Politologe Herfried Münkler im Rathaussaal über “Zusammenhalt und Demokratie in der Krise” – offiziell begann der Kongress allerdings erst am Dienstag Abend mit der Eröffnungsfeier, bei der unter anderem die Vorsitzende des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschland (VHD) Eva Schlotheuber, Uni Rektor Johannes Wessels sowie Armin Laschet, Ministerpräsident NRW, und Wolfgang Schäuble, Präsident des Bundestages, sprachen. Vor allem Schäubles Rede, in der darüber sprach, wodurch der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft wieder gestärkt statt vergrößert werden muss, traf sowohl das Thema des Kongresses als auch den Nerv der Zeit.

500 Referent/-innen in 100 Panels an drei Tagen

Inhaltlich startete der Kongress Mittwoch früh – das Programm war straff – rund 100 Panels mit 500 Referent/-innen waren für die drei Tage angesetzt. Um das zu schaffen, starteten die ersten Sektionen um 9 Uhr morgens – nicht nur teilnehmenden Studierenden kamen da nicht immer pünktlich. Dennoch war auch morgens schon einiges los zwischen H-Gebäude, Juridicum und F-Haus, wer nicht in einer Sektion saß, schaute in die zwei aufgebauten Zelte, in denen diverse Verlage ihre Bücher feil boten (Notabene: Kongresse sind auch ein Bücherbasar und eine Shopping-Mall). Für die meisten Informationen über aktuelle Buchbestände mussten die Teilnehmer/-innen gar nicht in die Zelte gehen, sie konnten  vieles schon den reichlichen Werbeprospekten in ihrer Kongresstasche entnehmen. Dass die leuchtend roten Taschen, farblich auf das Halsband, daher zu Hunderten schon am ersten Tag weggeschmissen wurden, ist kein Wunder, jedoch auch nicht gerade ökonomisch und umweltbewusst.

Blick in eines der Verlags-Zelte

Klassentreffen der Historiker/-innen – Elite

Neben dem inhaltlichen geht es natürlich auch um ein Zusammenkommen der aktuellen Historiker/-innen aus dem primär deutschsprachigen Raum (eine der wenigen Ausnahme ist der australische Star-Historiker Christopher Clark, der auch in einem Panel saß).

Ein bisschen war die Veranstaltung wie ein großes Klassentreffen – Händeschütteln hier, Winken dort, sich und die Arbeit gut präsentieren und nebenbei vielleicht neue Erkenntnisse austauschen oder Kooperationen verhandeln. Mittwoch Nachmittag war das sogar offiziell im Programm verankert, in dem Zeitraum trafen sich die verschiedenen Gruppen und Vereine.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer/-innen war im Übrigen nicht so männlich, wie angenommen. Sowohl auf den Panels als auch im Plenum waren einige weibliche Historiker/-innen vertreten – alle aber ausnahmslos weiß. Studierende waren bei den verschiedenen Vorträgen nur in kleiner Anzahl vertreten, als koordinierende Helfer/-innen aber unermüdlich im Einsatz.

Impressionen aus der Sektion zur olfaktorischen Spaltung

Helikopter-Eltern, Fleischkonsum und Kalter Krieg

Das Oberthema aufgreifend beschäftigen sich viele Sektionen mit gespaltenen Gesellschaften – und das von der Antike bis zur Neuzeit. Es ging um Leben in Ost- und Westdeutschland, den Umgang mit Migrant/-innen oder spaltende Religionen. Es wurde diskutiert, ob der NS-Regime einen Rassenstaat aufgebaut hat, wie das Meer in der Antike die Gesellschaft gespaltet hat und wie ungleich sich die Entwicklung der Landwirtschaft in der frühen Neuzeit in Europa vollzog. Ebenso wurden Provenienzforschung und auch neuere Strömungen wie Dis/ability oder Digitale Geschichte besprochen. Ansprechend waren auch die Sektionen zu Alltagsgeschichte: eine Sektion behandelte den Umgang von Fleischkonsum und Vegetarismus in Deutschland, ein anderes Panel sprach die Geruchssinne an, indem es bspw. dem Geruch der Oktoberrevolution 1917 in Russland oder den typischen “Westgeruch” nachging.

En gros waren die meisten Veranstaltungen recht gleich gut besucht – einige waren allerdings so voll, dass manche Zuhörer/-innen weggeschickt werden musste, andere dagegen wirkten in den großen Hörsälen etwas fehl am Platz.

Der geographische Fokus lag bei dem Kongress eindeutig auf dem europäischen Gebiet – vielleicht lässt sich innerhalb der kommenden zwei Jahre noch eine größere Expert/-innen – Gruppe für den angloamerikanischen sowie asiatischen Bereich finden.

Fleissige Helfer/-innen und viele Kongresstaschen

Preisverleihungen, Fahrradtouren und Schüler/-innenuni als Begleitprogramm

Wenn um 18 Uhr die Sektionen endeten, traf das nicht auf das Programm zu – es gab Preisverleihungen des VHD, Kino (gezeigt wurde “Alle Jahre wieder, ein Film Weihnachten im konservativen Münster der 1960er zeigt), History Slam oder Party. Dass dadurch 9 Uhr am nächsten Tag früh erscheint, ist nachvollziehbar.

Besonders schön fand ich die Fahrradtour durch Münster, organisiert von der Villa ten Hompel. Das Erkunden von historischen Orten Münsters (natürlich die Käfige an der Lambertikirche, aber bspw. auch Münster als Gau-Hauptstadt im Nationalsozialismus) fand so großen Anklang, dass sie spontan drei- statt einmal stattfand.

Auch die Idee, Historiker/-innen von morgen einzuladen, war gelungen. Sie fanden am Mittwoch bei der Schülersektion erste Zugänge zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte. Themen wie Fake News, Kolonialismus und Migrationsgeschichte wurden anschaulich dargestellt und fanden Anklang.

Geschichte ist noch lange nicht Geschichte

Abschlussvortrag von Aladin El-Mafaalani im Rathaus

Bevor am Freitag Abend der Sozialwissenschaftler Aladin El-Mafaalani einen spannenden sowie eindringlichen Abschlussvortrag über die Spaltung der Gesellschaft, verstärkt durch Vernetzung in sozialen Netzwerken, hielt, stand der Tag ganz im Zeichen der Lehrer/-innen – das Forum Geschichte und Wissenschaft (FGWU) lud zum Austausch und viele Lehrer/-innen nahmen die Einladung an. Thematisch handelten die Vorträge um sprachsensiblen Unterricht – ein sensibles Thema, was, so zeigte die Diskussionen, nicht nur unterschiedliche Meinungen hervorruft, sondern vor allem auch auf Unsicherheit und Überforderung stößt. In dem Bereich gibt es noch einiges zu erarbeiten.

Das trifft natürlich nicht nur auf die Lehrer/-innen zu. Auch bei den rein fachlichen Diskussionen und Panels wurden Probleme oft nur dargestellt und nicht gelöst – ausreichend Chancen also, dass es beim nächsten Historiker/-innen Tag in zwei Jahren der Diskussionsstoff nicht zu ende geht.

Weitere Infos zum Historikertag unter www.historikertag.de

Fotos: Laura Bartels

Text: Laura Bartels


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