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Young Fathers – Heavy Heavy

Rezensiert von am 12. Februar 2023

       

Es gibt Bands die haben einen Songwriter und der Rest muss sich fügen, Bands die ein Album zu einem Thema planen und dann dazu die Songs schreiben und es gibt die Bands, deren Inspiration einfach aus dem gemeinsamen spontanen Jammen stammen. Zu letzterer Art von Bands ist auch das Trio Young Fathers aus Edinburgh zu zählen. Spannend wird es in dem Moment, wenn alle Bandmitglieder eigentlich ganz andere Musikgeschmäcker und kulturelle Wurzeln haben und dann versuchen gemeinsam an einen Tisch zu kommen, um Songs zu schreiben. So stammt Mitglied Alloysious Massaquoi aus Liberia und zog im Alter von 4 Jahren nach Edinburgh, Kayus Bankole kommt aus Nigeria, lebte aber auch einige Zeit in den USA und der dritte im Bunde Graham “G” Hastings ist Sohn einer klassischen schottischen Arbeiterfamilie. 

Was dann beim Songwriting herauskommt, ist Chaos. Bestes Beispiel dafür ist ihr neustes Album “Heavy Heavy”. Da treffen dann schonmal nigerianische Volksmusik auf Reggae-Beats gemischt mit Gospel oder Hip-Hop auf Musik der indigenen Bevölkerung Australiens vermengt mit Krautrock. Young Fathers schaffen es aber auf einzigartige Weise dieses Chaos in einer Musikform zu vereinen, die experimentell und eingängig zugleich ist und liefern ein so abwechslungsreiches Album ab, dass voller Überraschungen steckt. 

Bereits der Opener “Rice” ist schon ein experimentelles Musikwirrwarr der allerfeinsten Sorte. So nimmt einen direkt der treibende Beat mit, der dann mit Gesängen aufgewertet wird die wie ein gemeinsamer Abend am Lagerfeuer klingen, ehe dann eine Art Hook folgt, die schon fast etwas von amerikanischem Country hat und letztendlich bringen ein paar Verzerrungseffekte den Song auf seinen Höhepunkt. Der Band nach, ist Rice der ideal Track zur Einladung auf eine gemeinsam Reise. 

Diese Reise setzt sich mit dem Song “I Saw” fort. Ein Song der sich laut Band um die Spaltung der Gesellschaft dreht. Musikalisch wird dieses Thema mit einem stampfenden Grundbeat vertont, dass fast in etwas so klingt, als würde jemand sehr laut wegrennen. Dieser Beat wird dann übermalt von leicht verzerrtem Gesang im Stile des Spoken Word ehe dann eine gospelartige Hook den Song veredelt. 

Im Song “Drum” wird dieses musikalisch dynamische Treiben direkt fortgesetzt. Passend zum Titel werden auf den Beat nochmal ein paar BPM mehr draufgesetzt und man wird von der Trommel fast durch den Song gehetzt. Dadurch, dass der Song direkt mit dem  Chorus startet, ist man sofort drin. Young Fathers selbst sagen, dass sie sehr gespannt sind, wie das Publikum mit ihren Körperbewegungen auf diesen Song reagiert. 

Zeit zum Durchatmen geben sie uns dann mit dem Song “Tell Somebody”. Wenn man einen Song auf dem Album als Ballade bezeichnen kann, dann wohl diesen Track. Dabei zeichnen die tragenden Synthies und der melancholische Gesang ein Bild der Ruhe, dass sich im Laufe des Songs aber in wunderbare Dramatikhöhen steigert.

Wieder etwas ruhiger geht es auch der Track “Geronimo” an und ist der ideale Re-Start um mit dem Album langsam wieder in Schwung zu kommen. So ist der Track ein kleiner Motivationssong, der antreibt, immer weiter zu machen. 

Ein spannendes Sampling-Gewitter liefern Young Fathers dann in “Shoot Me Down”, ehe der Song dann auch in ruhigere Fahrbahnen lenkt. Spannend dabei, dass der Gesang in dem Song nie wirklich im Vordergrund steht, sondern eher zu einer Hintergrundspur wird. Die Band selbst sieht in dem Track den ultimativen Liebessong, in dem alle Emotionen der Liebe zusammenkommen. 

Einen spannenden neuen musikalischen Aspekt liefert die Band mit dem Track “Ululation”. Ululation ist eine Gesangstechnik, bei der auf eine bestimmte Art geheult wird, wie auch in dem Song bestens zu hören ist. Vielfach kommt sie heutzutage in der indischen oder afrikanischen Musik vor. Die Person, die bei der Ululation zu hören ist, ist eine Freundin der Band, die die Jungs spontan im Studio besucht und kurzerhand diesen Track eingesungen hat. In der Hook wird die Ululation dann auch noch von einem verstimmten Klavier begleitet und der Mix ist perfekt. 

Bei “Sink or Swim” geht es dann mit den treibenden Beats weiter, die man schon vom Anfang des Albums kennt. Die Band selbst sagt, dass sich dieser Song anfühlt wie ein wilder Ritt auf einem Karussell. Dabei werden die drei Möglichkeiten aufgezeigt, wie man damit umgehen kann, wenn man das Gefühl hat zu ertrinken “You either sink or swim or do nothing”. 

Mit “Holy Moly” kann die Band kurz vor Schluss nochmal mit einem echten Highlight des Albums aufwarten. Ein Song in dem Experimentalität und Pop quasi miteinander kämpfen. Eine schöne eingängige Hook im Chorus löst den treibenden Beat in der der Strophe ab.

Credits: Stephen Roe

Den Schlussakt auf Heavy Heavy liefert dann das Lied “Be Your Lady”. Nachdem man erst eine Minute lang denkt hier wartet eine melancholische Abschiedsballade auf einen, nimmt der Song dann doch nochmal etwas Fahrt auf, ehe er dann wieder in einem eingängigen Part 

übergeht und in den letzten 30 Sekunden regiert nochmal das komplette Chaos und rundet dieses Album perfekt ab. 

Insgesamt liefern Young Fathers mit Heavy Heavy ein so unglaublich spannendes Album ab, indem sich Experimentalität und Eingängigkeit die Klinke in die Hand geben in einem perfekten Mix zwischen ruhigen und treibenden Songs basierend auf so unglaublich vielen Einflüssen, dass man diese schon gar nicht mehr eindeutig zuordnen kann. Auf diese Weise  bekommen wir ein Album, auf dem man bei jedem neuen Hören immer wieder neue unbekannte Elemente findet und das auch nach dem vierten oder fünften Mal hören immer noch nicht langweilig wird. 

rezensiert von Moritz Meyer


Label: Ninja Tune
Veröffentlicht am: 03.02.2023
Interpret: Young Fathers
Name: Heavy Heavy
Online: Zur Seite des Interpreten.