Pom Pom Squad – Mirror Starts Moving Without Me
Rezensiert von Kristina Höser on 28. Oktober 2024

Die Rock Band Pom Pom Squad hat am 25. Oktober ihr zweites Album nach drei Jahren Arbeit herausgebracht: “Mirror Starts Moving Without Me”. Pom Pom Squad ist eigentlich das Soloprojekt der Frontsängerin Mia Berrin. In 28 Minuten Rock, Grunge und Indie verarbeitet sie die Vielzahl an Erwartungen, die andere seit ihrem ersten Album “Death of a Cheerleader” an sie stellen. Selber hat sie ihre Musik als “electric queer indie pop” in einem Interview beschrieben. Berrin verrät mit ihrem kurzen blauen Kleid auf dem Album Cover ihre Inspiration bei der Geschichte “Alice im Wunderland”, wobei Berrin in weißen Plattform-High Heels die starke Frau darstellt, die sie in ihrem neuen Album beweist. Auch aus Retro-Videospielen und Horrorfilmen hat sie sich Inspiration geholt. Die Erfahrung, die sie als Frau mit 25 auf diesem Album festhält, ist noch lauter als die Fantasiewelt, die sie dafür geschaffen hat. Berrin fragt sich auf den 11 Songs, wer an ihrer Persönlichkeit geschraubt hat, genauso wie die Buchfigur Alice.
“I wonder if I’ve been changed in the night,” Alice ponders. “Who in the world am I? Ah, that’s the great puzzle.” (Lewis Caroll, Alice’s Adventures in Wonderland)
Das große Puzzle, was Berrin über sich lösen möchte, bringt genauso große Gefühle in die Lieder. Sie handeln von der Unzufriedenheit mit sich selbst, ihren Meilensteinen im Leben, diese zu vergleichen und mit allem alleine gelassen zu werden. Berrin spricht mit ihren tiefsten Gefühlen Situationen an, die jeder oder jede kennt. “Mirror Starts Moving Without Me” überrascht so auch ab und zu mit zarten instrumentalen Klängen. Vor allem aber lassen die Lieder das Wort “zart” an der letzten Straßenecke zurück: Die Musik ist rockig und laut, mit Verzweiflung und Ausdruck, die einen Berrins Situation erst so richtig nachfühlen lassen. Die kreative und mutige Charakteristik des Albums lässt Berrin fast selbstbewusst mit ihren verletzlichen Lyrics wirken – ein Selbstbewusstsein, was auch Fans und Hörende durch ihre Lieder spüren könnten.
In dem ersten Lied “Downhill” singt Berrin: “I am coming back from the dead”, sie ist wieder auferstanden von den Toten. Die Line “It’s all downhill from here” hört sich bei Berrin gar nicht an wie ihr nächster Untergang. Untermalt mit der schrillen E-Gitarre und etwas Akzeptanz in ihrer Stimme erahnt sie eher ihren nächsten Erfolg. Der Sound erinnert an Olivia Rodrigos rockigen Refrain in “All-American Bitch”, nur, dass Rock und Grunge Pom Pom Squads Perfektion ist. Neben Olivia Rodrigo erinnert der Klang des Albums unter anderem auch an Billie Eilish und ein wenig an Chappell Roan, bleibt aber gleichzeitig bei einer ganz eigenen Farbe (dunkles Blau-Lila, was sich dir annähert).
Lieder wie “Street Fighter” und “Doll Song” haben auch direkt das Potenzial, Frauen wie Berrin anzufeuern. Sie sind mit dem ersten Track “Downhill” und dem letzten “My Tower” ein paar der lautesten Lieder des Albums. Sie laden mit bestärkenden Lyrics und der E-Gitarre im Background ein, sofort mit erhobenem Kopf durch die Straßen zu stolzieren. Berrin spricht damit nicht nur die an, die Hot-Girl-Walks lieben – Die Musikerin erwähnt vieles, was Frauen in ihren Zwanzigern beschäftigt. In ihrer Lead Single “Spinning” trauert sie um eine vergangene Version von sich selbst, für die sie viel Zärtlichkeit empfindet: “She haunts me like a melody”.
In “Street Fighter” bezeichnet sie ihre Musik als “pretty girl rock” und definiert in diesem rockigen Lied neu, wie eine schöne Frau in einer patriarchalen Gesellschaft Musik zu machen hat. Das Lied fühlt sich an wie ein großer Mittelfinger gerichtet an alle, die sanftere Musik von ihr fordern. Das ruhigere Lied “Montauk” erzählt davon, dass die Eltern am Mittagstisch nicht über ihre Witze lachen, oder, dass sie gerne mehr Sterne in Montauk gesehen hätte. Eine nebensächliche Line, die die Essenz des Albums nachklingen lässt: Untertroffene Erwartungen an das eigene Leben in der Jugend, vielleicht auch einfach in Form eines mageren Sternenhimmels. In “Messages” überlegt Berrin, ob das Universum ihr Zeichen gesendet hat. Das ist nicht das einzige Mal, dass sie über das Schicksal oder irgendeinen größeren Plan nachdenkt. Auch “Tarot Interlude” greift ihre Zuwendung an eine größere Wegweisung auf, die viele in ihren Zwanzigern, wie Berrin, suchen.
“I thought I’d see more stars out in Montauk.”
Gegen Ende des Albums klingen geigenartige, klassische Gitarren-, Klavier- und Spieluhr-Töne im Hintergrund, die eine hoffnungslose Stimmung verbreiten. So auch in den Strophen des letzten Tracks “My Tower”. Doch bevor das Herz zu schwer beim Hören wird, fangen es die Instrumente mit rockigen Akkorden auf. Berrin lässt uns nach dem Album trotzdem mit Schwermut sitzen: Sie singt, sie sei gefallen.
“Mirror Starts Moving Without Me” verpackt menschliche Emotionen in ein rockiges Genre, das diese perfekt kommuniziert. Somit ist es ein Album für alle, die den Druck über die Erwartungen an sich selbst oder ihr Leben spüren. Aber vor allem ist es ein Album für Frauen wie Berrin: Sie können sich in jeder Lyric wiederfinden und sich letztendlich von der Ausdrucksstärke des Albums eine Portion Selbstvertrauen abholen. Wenn Berrin aus ihrer Verletzlichkeit heraus ein solches Album schaffen konnte, dann können wir vielleicht Ähnliches tun.
Label: City Slang Veröffentlicht am: 25.10.2024 Interpret: Pom Pom Squad Name: Mirror Starts Moving Without Me Coverbild: Bild: City Slang