Orla Gartland – Everybody Needs a Hero
Rezensiert von Carlotta Aupke on 9. Oktober 2024
Mit „Everybody Needs a Hero“ hat die irische Indie-Pop-Musikerin Orla Gartland ein heldenhaftes Sophomore-Album veröffentlicht. Orlas Superkraft ist es, ihren eigenen Sound zu entwickeln, wobei trotzdem jeder Song dem Album etwas Neues hinzufügt. Ein Coming-of-Age Record, der Themen wie Beziehungen, mentale Gesundheit und ganz besonders Selbstliebe behandelt. Seit ihren Anfängen auf YouTube und mit ihrem ersten Album „Woman on the Internet“ konnte sich Orla bereits eine Fanbase aufbauen. Auch ihr Feature auf dem Heartstopper Soundtrack mit „Why Am I Like This“ war für sie ein „proper dream come true moment“. Dabei liegt ihr besonders eine junge, queere Zielgruppe am Herzen, die sie auch schon als Voract der Sängerin dodie und als Teil der Band FIZZ abholen konnte. Mittlerweile hat Orla sowohl in Großbritannien als auch in Nordamerika eigene Tourneen ausverkauft und sogar ihr eigenes Label New Friends gestartet, unter dem auch „Everybody Needs a Hero“ veröffentlicht wurde.
Auf dem kurzen und sehr ruhigen Opener „Both Can Be True“ legt das leise Klavier den Fokus auf Orlas Stimme und die Lyrics. Der Song gibt einem das Gefühl, Orla persönlich besser kennenzulernen und wirkt fast schon intim, als würde sie ihre Hörer*innen zurückholen in die Zeit, als sie noch zu Hause YouTube-Cover aufgenommen hat. Im Kontrast dazu steht „SOUND OF LETTING GO“. Die Großbuchstaben kündigen bereits einen derberen Sound an. Unterstützt wird dieser durch ein wahrnehmbares Stampfen und Klatschen. Mit einem durchaus folkigen Vibe ist hier auch eins von Orla Gartlands musikalischen Vorbildern Joni Mitchell rauszuhören.
Für den nächsten Song „Little Chaos“ bewegt sich Orla dann wieder mehr in Richtung Pop. Wer Orlas Album wertschätzen möchte, darf nicht zu festgelegt sein auf ein Genre, und um den Song hier zu zitieren: „If you really want me, take me as I am“. Orla kann Vielfalt, das bringt sie auf dieser Platte unmissverständlich zum Ausdruck. Stilistisch sticht auch „Late To The Party“ heraus, auf dem Declan McKenna als Feature mitgewirkt hat. Er bescherte uns schon Anfang des Jahres ein Album der Woche. Zunächst fügt sich „Late To The Party“ noch selbstverständlich in die bisherigen Tracks ein, schnell wird aber klar, wie sehr Orlas und Declans Stimmen harmonieren und ihre Sounds ineinander übergehen. Damit erhalten auch elektronische Elemente Einzug in die Indie-Instrumentalisierung und schaffen ein weiteres Highlight. Dies kann auch von „Kiss Ur Face Forever“ behauptet werden, das mit lauten Drums und einem Gitarrensolo eher die rockige Seite des Albums abbildet.
Der Song „Simple“ hält, was er verspricht. Passend dazu, dass er musikalisch recht einfach gehalten ist, greift Orla hier die simplen Dinge im Leben auf, die sie glücklich machen. Dabei bleibt der Text in gleicher Menge spezifisch und relatable. Erkenntnisse über eine Beziehung verarbeitet Orla außerdem in dem Song „Who Am I?“. Er stellt dar, was von einer Person übrig bleibt, wenn sie sich in einer Beziehung verliert und aufopfert – Stichwort Codependency: „Now I’m not anything just a painting that’s meant to blend in with the wall I’m tired if I’m your everything who am I?“. Wieder unterstreicht die Instrumentalisierung die Lyrics: Am Ende des Songs ist nur noch eine leise Gitarre zu hören und lässt Orlas Stimme Raum, eine wunderschöne Anspielung auf das Wiederfinden der Stimme im Alleinsein.
In „Mine“ begleiten leise Streicher Orlas Gesang. Orla thematisiert in diesem erneut sehr intimen Song sexuell übergriffiges Verhalten und stellt klar, der Körper gehört einem selbst, selbst wenn „he said it seemed like I wanted it“. Während der Song recht ruhig klingt, liegt im Text eine Mischung aus Trauer und Wut. Mit einer klagenden Stimme bringt Orla die Folgen sexueller Gewalt zum Ausdruck: „You take what you want and you leave us in pieces“.
Mit dem Title Track und Closer „Everybody Needs a Hero“ geht Orla nicht mit einem Bang raus, sondern passend zum Rest des Albums mit einem melodischen, ruhigen Track. Textlich komprimiert er die Reise von den Zeilen „I need you, you need me more, and that’s the story I’m sticking to“ zu „I don’t wanna hide behind my ego, everybody needs a hero“. Auch wenn Orla also gerne eine Heldin wäre, kann sie diese Fassade nicht aufrechterhalten. Erneut macht der Song auch musikalisch eine Wandlung durch: Die laute Gitarre, die dem Song einen gewissen 80s Stil gibt, kommt dann ab der Bridge mehr zum Vorschein und unterstreicht die Einsicht. Auch der letzte Track bewegt sich sowohl musikalisch als auch textlich zwischen Orlas „bedroom beginnings“ und einem Maximalismus, der aus jahrelanger Erfahrung entstanden ist.
Schließlich endet das Album mit der Wiederholung der Zeile „Everybody needs a hero”. Vielleicht schafft Orla es, mit ihrer Musik und mit diesem Coming-of-Age-Record eine Heldin zu sein für ihre Fanbase. Wer diese Platte noch nicht gehört hat, sollte das dringend nachholen, denn wer möchte schon „Late To The Party” sein?
Label: New Friends Veröffentlicht am: 04.10.2024 Interpret: Orla Gartland Name: Everybody Needs a Hero Online: Zur Seite des Interpreten.