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Lola Young – I’m Only F**cking Myself

Rezensiert von on 23. September 2025

       

Die britische Musikerin Lola Young hat uns vergangene Woche nicht nur „One Thing“ gegeben, sondern gleich ein ganzes Album. Mit „I’m Only F**king myself“ veröffentlichte sie ihr drittes Studioalbum, und führt uns ein in ihre Welt, zwischen Sex, Rausch und all dem verdrehten Müll dazwischen. Wem Lola Young noch kein Begriff sein sollte (was für regelmäßige Q-Hörende eigentlich unmöglich ist), wird jetzt schnell abgeholt: bekannt wurde die 24-jährige Britin durch ihren Nummer 1-Hit „Messy“ der im letzten Jahr nicht nur Tiktok dominierte, sondern auch internationale Charts eroberte. 

Ihre markante, rauchige Stimme ist ihr Markenzeichen. Genau diese Einzigartigkeit brachte ihr die Aufmerksamkeit von niemand Geringerem als Amy Winehouses ehemaligem Produzenten ein. Lolas Talent beeindruckte ihn so sehr, dass er beschloss, wieder als Produzent tätig zu werden. Da soll nochmal jemand behaupten, sie sei ein One-Hit-Wonder. 

Dem Album gehen bereits die vier Tracks „One Thing“, „Not Like That Anymore“, „d£aler“ und „SPIDERS“ voraus. Gespannt haben wir nun also dem Release des neuen Albums entgegengefiebert. Bevor jedoch Gelegenheit besteht, in das Album reinzuhören, fällt direkt das Cover ins Auge. Darauf zeigt sie sich nackt und umarmt eine detailgetreue Sexpuppe ihrer selbst. Typisch Lola Young ist es provokant, wie ihre Musik selbst und spiegelt die ungeschönte Selbstreflexion der Künstlerin wider. Damit ist der Ton für das Album gesetzt:

Es wird ungezügelt, ehrlich und liefert eine große Portion schonungslose Authentizität.  

Anders als erwartet startet der erste Track „how long will it take to walk a mile“ nicht mit wütenden vocals und anzüglichen Lyrics. Im Gegenteil, auf einem Anrufbeantworter drückt Gastkünstlerin Mandisa Apena ihre Dankbarkeit für die kleinen Dinge des Lebens aus, wie das grüne Gras oder die Kühe, aber auch für Lola und die Möglichkeit, Kunst zu produzieren. Auf die Frage, wie lang es denn nun dauert eine Meile zu laufen, wird 45 Minuten geantwortet, mehr oder weniger die Länge des Albums. Also, i guess wir begleiten Lola auf dieser Meile.

how long WILL it take to walk a mile?

But I'm actually really grateful for life
I'm grateful for you and grateful that I'm here and I'm makin' art
And I'm grateful that, you know, uh, that there are cows
I'm grateful that the grass is still green here
And that the air is still really clean
And all my friends and family are safe and well
I'm really, really grateful, I'm grateful for you, Lola
So, yeah, this is a bit of blabber but give me a message
How long will it take to walk a mile? Like what, forty five minutes?
I'm gonna walk a mile
Okay, I love you, talk to you soon, bye

– hlwittwam, Lola Young

Der zweite Track „FUCK EVERYONE“ geht dann schon eher in die rotzige Richtung. In rockiger Marniere nimmt sie den Titel wortwörtlich: Männer, Frauen, Väter, alle landen bei ihr im Bett.  

I’ve been smokin’ on your father,
givin’ him head 
He’s been blowin’ up my phone,
but I blow him instead 
– FUCK EVERYONE, Lola Young

Lola nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt klar: sie will nur das eine, oder? Naja, im Verlauf des Albums wechseln nicht nur die Musikstile, von Rock über Alternative Pop und Soul bis hin zu jazzigen Momenten, auch Lolas Intentionen schlagen immer wieder überraschende Haken. Plötzlich liegt sie im Bett und hat „Post Sex Clarity“: 

When I finish,
it’s not the еnd of you and I
– Post Sex Clarity, Lola Young

Nur einen Track später mündet das Chaos in einer „SAD SOB STORY :)“, die das emotionale Durcheinander auflöst: 

Guess I had to let you go to know that I didn’t need you in the first place 
But life’s about learning, and I could show you that the hard way 
But I don’t stalk your Instagram ’cause I don’t care to know, mate 
– SAD SOB STORY! :), Lola Young

 

Ihr Liebesleben ist ziemlich messy, so schnell wie er kam, ist er also auch wieder weg.  

Lola gibt uns intime Einblicke in ihre innere Zerrissenheit und in ihren regelrechten Selbstzerstörungswahn. Das Album springt inhaltlich von brechenden Betten und Sofas, vom lustvollen Begehren und der Hookup-Culture in „One Thing“ und zu intimer Selbstreflexion in „d£aler“.

Profilbild
© Conor Cunningham

Treibende Beats und sanfte Gitarrenklänge begleiten einen ihrer persönlichsten Tracks. Die introspektiven Lyrics beschreiben eine gescheiterte Beziehung zu einem Drogendealer. Oder deuten sie symbolisch auf Lola Youngs inneren Kampf mit ihrem exzessiven Drogenkonsum hin? Egal wie man es deuten mag, Im Kern geht es um den verzweifelten Wunsch zu entkommen. Zunächst heißt es noch: 

Tell you „No,“ make it clear 

I’m not comin‘ back for 15 years 

Doch im Verlauf des Songs korreliert der Wunsch, dem Konsum zu entkommen mit den ständigen Entzugserscheinungen, wodurch am Ende alles wieder um  “Tell my dealer I’ll miss him” kreist.  

Hier zeigt sich die Mehrdeutigkeit des Albumtitels, der nicht nur wortwörtlich auf Solo-Sex anspielt, wie das Cover vermuten lässt, sondern auch den selbst zugefügten Schaden durch Drogen und das Leben im Exzess thematisiert, eine Lebensrealität, die Lola Young offen kommuniziert. Ein Herzstück des Albums ist „SPIDERS“, laut Lola einer ihrer persönlichsten Songs, der aus genau so einem „very dark place“ stammt. 

Lola Young via Instagram @lolayounggg

In „SPIDERS“ verbindet sie diesen inneren Schmerz, die Ängste mit dem Wunsch nach bedingungsloser Liebe, trotz des emotionalen Ballasts, den sie ständig mit sich rumschleppt.  

Please, kill, kill all the spiders 
‘Cause thеy’re in our room and with them I can’t sleep besidе you 

Wie die Spinnen sollen auch die eigenen Ängste irgendwann „gekillt“ werden, damit man sich von ihnen befreien und endlich den Raum für Selbstliebe und bedingungslose Akzeptanz schaffen kann (bitte tötet keine Spinnen:)). 

Als stiller Schlusspunkt des Albums zeigt „who f**king cares“ eine andere Seite von Lola Young: reduziert, akustisch, offen über ihre schizoaffektive Störung und die Medikamente, die sie seit ihrer Jugend nimmt. Auch ihre Drogensucht wird hier wieder offen kommuniziert: 

‘Cause it’s been days but I’ve been busy getting high 
And my doctor said, “You’ll get sick again, you can’t mix these meds with white lines

Foto
© Universal Music

Vielleicht könnte der Titel „I’m Only F**king Myself“ sogar noch auf eine dritte Art verstanden werden. Könnte es auch als die schonungslose Proklamation von Lola Young verstanden werden, dass sie sich nicht verstellen kann und einfach so akzeptiert werden möchte, wie sie ist? Denn sie ist nunmal, wie sie ist, und das ist, im Gegensatz zur glattpolierten Norm doch geradezu erfrischend, oder nicht? Ihre Anti-Clean Girl Ästhetik scheint einige Hater (natürlich meistens Männer lol) ziemlich zu triggern, sodass sie sich online das Maul über ihre Bühnenperformance, ihren Körper oder ihre Kleidung zerreißen. God forbid, dass sich eine Frau knapp bekleidet, mit ihrem normalen Körper auf die Bühne stellt und Lieder über Sex und Selbstbestimmung singt … und einfach zu sich selbst steht ?!?

Eine gelungenen Abschluss gibt es mit cunty Poesie à la Lola Young: in „ur an absolute c word (interlude)“ wirft sie einen letzten bissigen Blick auf verletzte Beziehungen, der das Album perfekt abrundet. Das Outro bringt es auf den Punkt: 

Fuck, that was incredible, you come up with that 
It was so bad 
You fucking absolute cunt, you’re an absolute cunt 
Stop 

God me, and then that’s the end of the album, goodbye 

Mit „I’m Only F**cking Myself“ zeigt Lola Young einmal mehr, dass sie immer noch das „Messy“ Girl aus 2024 ist. So ist sie eben, doch mit all ihren Facetten geht sie offen mit ihren Problemen um, ob es der Öffentlichkeit nun passt oder nicht. Ihre erfrischende Ehrlichkeit und Authentizität ziehen sich durch jeden Track. Gleichzeitig gibt es viele Hörer*innen, die sich in den Lebensrealitäten, Ängsten und Sehnsüchten, die Lola Young auf „I’m Only F**king Myself“ thematisiert, wiedererkennen. Sei es der offene Umgang mit persönlichen Problemen, die Suche nach Selbstbestätigung oder das Navigieren durch komplexe Beziehungen. 

Das Album thematisiert zwar auch ihren Drogenkonsum und die damit verbundenen Schwierigkeiten, doch selbst dieser schwere Stoff wird zu einer mitreißenden musikalischen Erfahrung, die fast schon selbst süchtig macht. 


Label: Day One Music Limited
Veröffentlicht am: 19.09.2025
Interpret: Lola Young
Name: I'm Only F**cking Myself


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