Conan Gray – Wishbone
Rezensiert von Anika Hagen on 18. August 2025

Summer Flings, Situationships und Sehnsucht: Conan Gray macht einen regelrechten Höhenflug in die Crashout-Season. Sein viertes Album Wishbone ist am 15. August erschienen und ist, um seine eigenen Worte zu nutzen, ein richtiges “Crashout-Album”. In insgesamt 43 Minuten und 12 Sekunden führt uns der Solo-Künstler in 12 Songs durch so ziemlich jede Emotion, die man bei einem Heartbreak durchleben kann.
Symbolisiert wird das Gefühlschaos von einem Wishbone (dt. Gabelbein). Glück steht der Person bevor, die beim Auseinanderziehen des Knochens das längere Stück bekommt. Die andere Person verliert mit dem kürzeren Ende. Bei der Entstehung des Albums ist Conan immer wieder das Bild des Wishbones in den Kopf gerückt und wie ähnlich zwischenmenschliche Beziehungen im Vergleich dazu funktionieren und ausgehen. Mit der Albumankündigung im Juni beschreibt Conan auf Instagram dieses Ritual.
Und was erwartet uns jetzt genau auf Wishbone?
Wer Conan Gray bisher musikalischen ein wenig verfolgt hat, sollte mit seinem typischen Sound vertraut sein: Schnelle upbeat Pop-Songs mit catchy Melodien und Balladen, die meist vom Klavier oder sanft angespielten Chords an der Gitarre begleitet werden. Textlich schüttet der Sänger sein Herz aus über schwierige Familienverhältnisse und Liebe und dabei insbesondere den damit verbundenen Herzschmerz.
Letzteres gibt es auch wieder auf Wishbone. Conan arbeitete für dieses Album erneut mit Dan Nigro zusammen, der beispielsweise die Songs Heather und Maniac von seinem Debütalbum Kid Krow produzierte. Klanglich bewegen sich die Lieder in seinem gewohnten Soundbett. Star sind definitiv seine Vocals, die mit High Notes und sanften Harmonien auf Tracks wie Connell und Vodka Cranberry ganz besonders hervorstechen.
Den Grundton für Wishbone hat die zweite Single-Auskopplung Vodka Cranberry schon vorab ziemlich eindeutig gesetzt. Das Lied ist eine gleichzeitig vorwurfsvolle und herzzerreißende Konfrontation, die das Ende zwischen Conan und der besungenen Dating-Person besingt:
Speak up, I know you hate me.
Looked at your picture and cried like a baby.
Speak up, don't leave me waiting.
Got way too drunk off a Vodka Cranberry.
Called you up in the middle of the night,
Wailing like an imbecile.
If you won't end things, then I will.
Die Sprechinstanz klingt einerseits verzweifelt, ist den Schmerz andererseits aber auch satt und will der Situationship ein für alle Mal ein Ende setzen. Diese Emotionen und auch diese Haltung ziehen sich quer durch Wishbone. Der Opening-Song Actor hält eine ähnliche Ambivalenz inne. Das zeigt sich nicht nur in Versen wie diesen:
And the church bells won't stop ringing.
For an undead wedding day.
And you've spent the summer drinking,
While I spent it being erased.
And I tried to hide the feeling,
But it just won't go away.
Let's pretend nothing happened, I agree,
But you're a much better actor than me.
Der eher verzweifelte, verletzte Ton aus dem Chorus ändert sich schlagartig mit der Bridge. Klanglich nimmt der Song noch mehr Fahrt auf und wird für die letzten Verse für einen Moment leiser und ruhiger. Die Lyrics und der Tonfall werden hier zunehmend vorwurfsvoller. An dieser Stelle klingt auch endgültig der Grund des ewigen Versteckspiels und Verschweigens heraus. Die side […] that she’ll never know ist hier die Queerness, die das lyrische Du bei sich selbst erased und damit auch die gemeinsame Zeit, die nur hinter verschlossener Tür stattgefunden hat:

If you ever cared, well, I wouldn't know.
Blame it on a bad manic episode
When you meet a girl on some TV show.
There's a side of you that she'll never know.
Tell all your friends that she's the one
And you can say it's love.
Dieses schmerzvolle Verlangen und die Sehnsucht wird ganz besonders in Connell hörbar. Das Lied wird von Streichinstrumenten untermalt und von einer Akustik-Gitarrre begleitet. Dabei singt Conan darüber, dass die Ex-Dating-Person ein reminder für how little I deserve und my father slurring words ist. Das Outro bringt hier den Höhepunkt. Wenn dieser Teil beginnt, verstummen die Instrumente für einen kurzen Moment und stimmen in langsamerem Tempo in den verzweifelten, sich immer wiederholenden Ruf nach Connell ein. In den letzten Sekunden ertönen schiefe Noten, die das Unwohlsein und die Enttäuschung noch weiter akustisch zeigen.
Diese traurige, sehnsüchtige und enttäuschte Haltung begleitet uns durch das gesamte Album, mit einer Ausnahme. Der vierte Track Romeo hat einen schnellen Beat, starke Vocals und ist ein großes “Fuck You” an die Person, die der Sprechinstanz das Herz gebrochen hat. Der Song gibt dem Album einen erfrischenden Twist mit der Message: I hope you know I’m never gonna want you back.
Die auf Wishbone ansonsten sehr verletzte Sprechinstanz bringt hier eine petty, aber selbstbewusste attitude mit und listet all die Dinge auf, die sie sowieso nie gerne mit der besungenen Person gemacht hat, wie etwa sittin’ around your egoist actor friends oder kissin’ your mouth with cigarettes on your breath. Die textliche Krönung hat Romeo meiner Meinung nach in der Bridge, in der eine Shakespeare-Referenz auftaucht:
Where art thou?
Fuck if I care now.
Wishbone ist damit nicht nur longing und yearning, das Album bietet den Hörer*innen auch einen friendly reminder, dass es immer einen Lichtblick gibt, egal, wie down bad man ist. Insgesamt hat Conan sage und schreibe 300 Songs geschrieben, von denen es am Ende allerdings nur 12 an die Öffentlichkeit geschafft haben. Aber auch bei dieser begrenzten, aber sehr auf den Punkt gebrachten Auswahl ist safe to say: Es gab offensichtlich viel zu verarbeiten und zu erzählen.
Wer nach diesem grandiosen Albumrelease gar nicht mehr abwarten kann, Conan Gray live zu sehen, kann einen spontanen Trip zum Superbloom Festival am 30. Und 31. August in München machen. Conan ist am Sonntag einer der Headliner und wird bestimmt den ein oder anderen neuen Song von Wishbone zum mitschreien und -weinen spielen.
Fotocredits: Dillon Matthew
Label: UMG Recordings Veröffentlicht am: 15.08.2025 Interpret: Conan Gray Name: Wishbone