Blackout Problems – SONGS
Rezensiert von Nataly Gehrke on 4. Dezember 2025
I’m in the front row waiting, for the world to fall apart. Everybodys singing. Everybody’s having a good time.
Mit diesem Worten beginnt der erste Track Frontrow auf dem neuen Album-Release SONGS der Band BLACKOUT PROBLEMS und jedes Mal, wenn ich diese Zeilen höre, erinnern sie mich an den Tag, an dem ich die Alternative-Rockband zum ersten Mal live erlebte. Kurz vor ihrem Auftritt auf dem Summertime Festival Wolfenbüttel hatten sie ihr viertes Album DARK veröffentlicht und obwohl ich sie bis dato nicht kannte, merkte ich schon zu Beginn der Show, dass die vier Musiker einen bleibenden Eindruck hinterlassen würden. Der Song war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht veröffentlicht, aber ich selbst fand mich trotzdem in der Frontrow- irgendwo zwischen tanzen, laut frisch aufgegriffenen Lyrics mitbrüllen und mir über die in den Texten angesprochenen Problematiken Gedanken machen. Und dabei fiel mir etwas ganz Besonderes auf:
Oberflächlich betrachtet macht die Musik von BLACKOUT PROBLEMS einfach Spaß. Aber die Texte sind durchzogen von Systemkritik, Selbstreflexion und einer kunstvoll verpackten Prise Wut. So auch der Song Frontrow, der die Erkenntnis in sich trägt, dass wir uns als Gesellschaft immer weiter zerstören und nicht einmal nur tatenlos dabei zuschauen, sondern es irgendwie sogar genießen. Er kritisiert jene, die bewusst davor die Augen verschließen, welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Seien es Worte oder Wahlkreuze.
Dieses Festival ist jetzt vier Jahre her, aber seit diesem Tag sind BLACKOUT PROBLEMS aus meiner Playlist kaum noch wegzudenken. Umso glücklicher machte es mich, dass die Münchener Band sich mit ihrem neuen Album unter ihrem eigenen Label Munich Warehouse nun selbst einen kleinen Traum erfüllen konnte. SONGS ist eine Sammlung von insgesamt 12 Tracks, die zwar bis auf einen bereits vorher veröffentlicht, jedoch nie Teil eines Albums waren und somit durch die neue Veröffentlichung nun auch erstmals auf einem physischen Tonträger, also ganz losgelöst von der digitalen Welt, existieren.
Ursprünglich stand hinter den einzelnen Singles kein gemeinsames Konzept. Umso verrückter ist es, wie sehr sie auf dem Album harmonieren. Auch Sänger und Gitarrist Mario Radetzky selbst ist davon überrascht. Für ihn stellt SONGS eine Reise durch den musikalischen Werdegang der Band dar und auch, wenn sie sonst eigentlich gerne nach vorne blicken und neue Dinge wagen, fällt doch auf, dass BLACKOUT PROBLEMS es geschafft haben, auf bemerkenswerte Weise ihren ganz eigenen Sound zu finden und beizubehalten.
“‚SONGS‘ zwingt uns förmlich auch mal kurz innezuhalten und zu sehen was wir bisher so gemacht haben. Und trotz aller Scheu vor der Nostalgie, tut es richtig gut.“
Mario Radetzky, Sänger & Gitarrist
Aber neben den altbekannten Gitarrenriffs, den ausgeklügelten Drums und den Texten, die die bestehende politische Ordnung kritisieren oder von Beziehungen sprechen, die von Impulsivität und Spontaneität geprägt sind, liefert SONGS auch eine Überraschung. Der Song ON ist neu. Vor allem aber ist er die Antwort auf den bereits 2017 veröffentlichten Song OFF/ON. Zusätzlich zum Lied veröffentlicht die Band auch einen zweiten Teil des damals erschienenen Musikvideos, welcher die beiden Lieder durch einige gesprochene Gedanken voneinander trennt. Im Fokus steht hierbei ein von Reue geplagter, alter Mann, der auf sein Leben zurückblickt und erkennt, dass sein Verhalten oft unangebracht war. Er reflektiert die Geschehnisse, die auf OFF/ON thematisiert werden.
OFF/ON erzählt die Geschichte zweier Liebenden. Aber die Dynamik der beiden ist verwirrend und kompliziert. Sie teilen gemeinsame Hochs, aber wissen eigentlich, dass sie einander zum Stürzen bringen werden. Zwei Menschen, die nicht mit, aber auch nicht ohne einander können- bis das lyrische Ich etwas scheinbar unverzeihliches tut und somit die Beziehung in den Abgrund stürzt.
ON knüpft aus späterer Perspektive an diese Situation an. Das eigene Fehlverhalten wurde reflektiert und die Einsicht, einen großen Fehler begangen zu haben, ist deutlich. Die Gefühle zur geliebten Person sind aber noch immer da und der Wunsch nach Wiedergutmachung ist durchzogen von einem verzweifelten Versuch, die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Beides bleibt hier unbefriedigt.
“Nothing keeps me from sinking lower so why dont we start over? All of the gaps in my bookshelves, I will keep them clean ’til you’re back. All of the space in my closet, I wont fill it ‘til you are back. I loved losing control until I lost it all” – ON
Was diese Wechselwirkung zwischen den beiden Songs selbst, aber auch zwischen allen Songs auf dem Album so besonders macht, ist der autobiografische Anspruch von BLACKOUT PROBLEMS. Sie selbst bezeichnen ihre Musik als Tagebuch und sprechen davon, wie sie sich durch das gemeinsame Schreiben – das gemeinsame Teilen von Gedanken und Geschichten – beeinflussen, helfen und verstehen lernen. Auch noch nach 20 Jahren.

Mit SONGS hat BLACKOUT PROBLEMS es geschafft, ihre Geschichte zusammenzufassen. Es ist eine Zeitreise durch die Geschichten der Bandmitglieder und eine Reflexion von politischem Wandel, emotionalem Wachstum und musikalischer Wirksamkeit. Die insgesamt 37 Minuten sind Beweis dafür, wie heilend es sein kann, aus Schmerz und Angst Kunst zu machen und diese mit der Welt zu teilen. Und vor allem ist es ein Appel, Wut zuzulassen und ihr auf gesunde Weise Ausdruck zu verleihen.
Label: Munich Warehouse Veröffentlicht am: 28.11.2025 Interpret: Blackout Problems Name: SONGS