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Gordi – Like Plasticine

Rezensiert von on 12. August 2025

       

Von Vergänglichkeit und Neuanfang: “Like Plasticine” ist ein Folktronica-Album, was die Bedeutung von (Lebens-)Zeit, Veränderung und Selbstbestimmung thematisiert. Hier ist alles möglich – tanzen, weinen und weinend tanzen.

Schlagwörter: Tod, Knete und queere Utopie


Vorab: Gordi ist das musikalische Projekt der 32-jährigen Sophie Payten. Aufgewachsen auf einer Farm im Süden Australiens, die sie bereits mit 12 Jahren verließ, um auf ein Internat zu gehen, hat Payten früh gelernt, auf sich allein gestellt zu sein. Songwriting wurde zum Ventil, um die mit dieser Situation einhergehenden Angstzustände zu verarbeiten. Im späteren Verlauf ihres Lebens sollte der Umgang mit Angst, Vergänglichkeit und dem Überbringen schlechter Nachrichten einen allgegenwärtigen Platz in Paytens Leben einnehmen, denn mit Mitte 20 schloss sie ihr Medizinstudium ab und wurde fortan regelmäßig aus nächster Nähe mit dem Thema Tod konfrontiert – vor allem während der Corona- Pandemie. Payten pausierte ihre musikalische Karriere, um im Krankenhaus an der Covid-Front zu arbeiten. Warum ist das wichtig zu erwähnen? Weil Payten weiß wovon sie spricht, wenn sie in Songs wie “PVC Divide” über die Vergänglichkeit des Lebens, emotionale Schicksale und innere Zerrissenheit singt.

Gordi (Foto: Bianca Edwards)
Gordi (Foto: Bianca Edwards)

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Vergänglichkeit ein immanentes Thema auf Gordis drittem Studioalbum “Like Plasticine” ist. Das Album hat jedoch noch mehr zu bieten als traurige Lyrics und sentimentale Vibes: Gordi erkundet einmal mehr den Weg zu sich selbst, ihrer Queerness und den Umgang mit Veränderungen von zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei beschränkt sich der Sound nicht wie beim Vorgängeralbum hauptsächlich auf balladesk akustischen Indie-Folk sondern findet ein modern klingendes Mittelmaß zwischen intimem Folk-Minimalismus, Raum einnehmenden Synthie-Konstrukten und tanzbaren Pop-Melodien. All das wird stets fein austariert, sodass sich die Songs nie überladen anfühlen, aber trotzdem überraschende Momente bieten. 

You gotta forget/ You gotta let go/ You gotta call your mom/ And your best friend

Der Opener “GD (Goddamn)” bereitet einen bestens auf die kommenden subtilen Soundexperimente vor. Er besteht aus mit dem Handy aufgenommenen, inhaltlich reduzierten, aber trotzdem einschneidenden Vocals. Diese fangen das Gefühl alltäglicher Überforderung, dem Vermissen und der Entfremdung von wichtigen Personen ein, denen man gerade nicht so nah sein kann wie gewünscht/ erwartet.

Gordi geht direkt rein, es wird klar: Hier soll es um rohe Emotionen gehen. Den Schnickschnack liefert die Produktion. Die Kombination macht Gänsehaut. Nicht nur in diesem Fall werden Parallelen zu Justin Vernons (Bon Iver, Big Red Machine und Co.) Sound-Collagenartigem Stil deutlich. Schon in der Vergangenheit ist Vernons Arbeit als Inspirationsquelle aufgetaucht. Wahrscheinlich auch, weil Vernon und sein Netzwerk Gordis Werdegang maßgeblich begleitet haben. So war Gordi in der Vergangenheit bereits als Backgroundsängerin und Support Act für Bon Iver aktiv und arbeitet heute noch mit einigen Bandkollegen Vernons zusammen.


“Wie Knete”

Der Titel des Albums stand für Gordi schon weit im Voraus fest. Er bezieht sich auf die menschliche Haut und deren Veränderung nach dem Tod.

Das Cover zeigt eine ältere Dame, deren Haut gezeichnet vom Leben und unzähligen Erlebnissen ist. Ein Ziel was auch Gordi hat.


Die Akzeptanz, dass man den Lauf der Dinge nicht aufhalten kann sowie das Zurücklassen und Abschließen mit früheren Lebensrealitäten (for good) sind Motive, die immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auf dem Album auftauchen. Ein Beispiel dafür ist “Head Rush”. Es geht um eine zwischenmenschliche Beziehung, die zwar geprägt von Highs aber auch von zerstörerischen Phasen ist und dem Bewusstsein darüber, dass manche Dinge schön, aber nicht für immer sind.

Something’s gotta give we can’t keep waiting for better/ Something’s gotta give or we can go down together

Der Song bewegt sich klanglich zwischen poppiger Leichtigkeit und verzerrten Grunge-Feels und zeigt eine große Stärke der Platte auf: Den Transport der Bedeutung des Texts auf die klanglichen Ebene. Wenn hier am Ende des Songs die verzerrten Gitarren mit noch verzerrteren Vocals und dem immer schneller werdenden Beat verschmelzen, hört es sich so an, wie sich ein zu Kopfe steigendes Schwindelgefühl anfühlt.


Von mehr Sichtbarkeit und Selbstbestimmung

Neben der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit markiert “Like Plasticine” aber vor allem auch Momente der persönlichen Weiterentwicklung. Wie auch auf dem Vorgängeralbum beschreibt Gordi verschiedene Phasen und Erfahrungen ihrer persönlichen Coming-Out-Journey und wie befreiend und belastend zugleich das Entdecken ihrer Sexualität für sie war und ist. Songs wie “Cutting Room Floor” und “Peripheral Lover” zeigen eindringlich, dass sich hinten anstellen, emotional einstecken und eine Nebenrolle spielen mittlerweile keine Optionen mehr für sie sind. Aber auch welche Differenzen sich zwischen Erwartungen und Realität ergeben.

Auch “Alien Cowboy” beschäftigt sich mit Gordis inneren Konflikten als queere Person. Entstanden ist der Song aus einem Gespräch mit Gordis Co-Produzent Matias Mora über queerfeindliche Politik in den USA. Sie stellten sich daraufhin die Frage, wie eine queere Utopie aussehen würde und kamen zu dem Schluss, dass die Umgebung wie eine wabernde Wüstenlandschaft aussehen würde in der alles miteinander verschmilzt und einem eine Fremde Person mit den Worten “Come into this place” die Hand ausstrecken würde. Dies stehe laut Gordi sinnbildlich für einen Ort, den man in sich selbst finden muss.



Label: Mushroom Music
Veröffentlicht am: 08.08.2025
Interpret: Gordi
Name: Like Plasticine


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