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Von allgemeiner Medizin und speziellem Rap – Interview mit David Pe von Main Concept

Geschrieben von am 25. Juni 2021

Die Münchener Lokalmatadore und Deutschrap Urgesteine von Main Concept feierten im Jahr 2020 ihr 30-jähriges Jubiläum. Wegen der Pandemie erscheint ihr Geburtstagswerk 3.0 allerdings erst dieses Jahr. Das Trio besteht aus dem Rapper David Pe, dem DJ Explizit und dem Produzenten Glammerlicious. Die Oldschool-Legenden wurden von der Süddeutschen Zeitung als “Rapper aus der zweiten Reihe” bezeichnet, die nichtsdestotrotz von Beginn an prägend für die Deutschrap-Landschaft waren. 1991 entstanden ihre ersten Texte auf deutsch womit sie zu den ersten überhaupt in Deutschland gehören. Das Debütalbum Coole Scheiße erscheint 1994, gemeinsam mit den Debütalben von internationalen Szenegrößen wie Notorious B.I.G. oder OutKast. Es folgen vier weitere Studioalben, ein Freestyle-Album und legendäre Touren u.a. mit den Beginnern oder Samy Deluxe & Roger Rekless. David Pe spricht mit Radio Q über das neue Album, das Zusammenspiel von HipHop und Medizin, Zeitmanagement zwischen Tour und Arztpraxis sowie über Kapitalismus, Bundestagswahl und Spiritualität.

Ein Interview von Yunus Gündüz

© Franziska Freiwald

Q: Erstmal herzlichen Glückwunsch zum 30-jährigen Bandjubiläum. Schade, dass DJ Explizit und Glammerlicious heute nicht dabei sein können.

David Pe: Die sind etwas interviewscheu.

Q: Du bist nicht nur Rapper, sondern seit 2004 auch Arzt: Kommen Leute nur in die Praxis, weil sie Fans sind?

David Pe: Nicht so wirklich. Die kommen nicht vorbei, um Hallo zu sagen. Ich arbeite hier und das wissen die Leute auch zu respektieren. Es kommen schon hin und wieder Leute mit einer Fragestellung medizinischer Natur, die auch wissen, wer ich bin. Aber das stellt sich meistens im Gespräch heraus. Es ist nicht so, dass jemand ankommt: “Hey, ich bin Main Concept-Fan und jetzt bin ich da.”

Q: Jetzt sind wir auch direkt beim Thema Main Concept. Ihr habt zu eurem dreißigjährigen Jubiläum fast punktgenau das neue Album 3.0 rausgebracht. Habt ihr euch gezielt entschieden ein Album zum Jubiläum zu veröffentlichen, oder hattet ihr schon Material auf Lager wie beispielsweise beim Vorgänger Hier & Jetzt?

David Pe: Dieses Mal ist kein Track vor 2020 entstanden. Nachdem wir 2015 unser 25-Jähriges gefeiert haben und eben Hier & Jetzt rausgebracht haben, haben wir gesagt: „Naja okay, zum 30-jährigen müssen wir auch was rausbringen.“ Ich hatte auch gewisse Themen, die ich bearbeiten wollte, schon im Hinterkopf. Aber ich habe mich noch nicht hingesetzt, um Texte zu schreiben. Das mache ich, wenn die Zeit drückt, sodass die Songs alle Anfang 2020 im März geschrieben und später dann produziert wurden. Ich habe immer so eine diffuse Vorstellung, worüber ich reden will. Aber man muss es in Worte fassen und es muss ein prägnanter Raptext werden und nicht irgendetwas diffuses. Das machen zwar viele Leute, diese diffusen Gedanken in Reimform bringen aber das ist nichts für mich. Ich bin da immer sehr konkret, weil ich immer weiß, worauf ich hinauswill. Dann muss ich mich in einen Schreib-Modus begeben. Wenn ich dann mal drin bin, läuft es. Eigentlich hatten wir auch nur vor eine EP zu machen. Fünf Lieder kriegt man immer zusammen. Aber dann hat sich das aber so ergeben, dass ich im Schreibflow war. Glam (Glammerlicious) war auch im Flow, und hat angefangen zu meinen Ideen und Textideen, die ich dann mittlerweile schon hatte, hinzuproduzieren. Dann hatten wir plötzlich noch einen Track und noch einen Track und die sind jetzt auf dem Album. Plus die Live-Aufnahme von der Freestyle-Tour, die ich mit Samy (Deluxe) und (Roger) Rekless 2018 und 2019 gemacht habe. So haben wir eben die Freestylesession noch mit draufgepackt und haben eine LP daraus gemacht. Sonst wäre einiges an Material wahrscheinlich nicht veröffentlicht worden.

Q: Wenn man über einen langen Zeitraum Alben produziert, ist das doch vom Zeitmanagement angenehmer. Wie hast du das in dieser kurzen Zeit hinbekommen, gerade als Arzt während einer Pandemie?

… als es dann wieder mit Corona losging, waren wir eigentlich mit den meisten Sachen fertig.

David Pe: Ich bin froh, dass wir am Anfang letzten Jahres schon angefangen haben. Da war dieser erste Lockdown und es war alles neu und auch irgendwie interessant. Zu der Zeit war tatsächlich relativ wenig los hier in der Praxis. Ich bin Hausarzt, du kannst dir vorstellen, hier ist jeden Tag was los. Es gibt keine Leerlauf Tage. Das war zum Arbeiten sehr angenehm, weil das Wartezimmer nicht brechend voll war. Als ich angefangen habe, die Sachen fürs Album zu schreiben kam mir das zugute. Ich hätte sie auch geschrieben, wenn der Laden voll gewesen wäre. Wir wollten zum Dreißigjährigen etwas rausbringen. Und ich sage immer: „Man hat Zeit, wofür man sich Zeit nehmen will.“ Wenn ich eine Platte machen will, dann hock ich mich hin und mach es auch. Aber so war es natürlich entspannter. Im Mai hatte ich dann schon eigentlich alles fertiggeschrieben. Wir haben dann auch schon mit den Aufnahmen angefangen und als es dann wieder mit Corona losging, waren wir eigentlich mit den meisten Sachen fertig.

Q: Kam die Platte dann wegen der Pandemie erst dieses Jahr?

Viele Leute haben Platten gemacht, man tritt ja nicht auf.

David Pe: Die Platte hätte locker letztes Jahr rauskommen können, wenn nicht pandemiebedingt so ein krasser Stau im Presswerk gewesen wäre. Als wir unser Zeug im Sommer bzw. September 2020 abgegeben haben, hieß es plötzlich: “Na ja, das wird nicht gepresst werden vor einem halben Jahr.” Viele Leute haben Platten gemacht, man tritt ja nicht auf. Wahrscheinlich hat das Presswerk auch zusätzlich in Kurzarbeit gearbeitet. Deswegen ist die Platte 2021 rausgekommen. Aber es war auch gut fertig zu sein, denn nach den Sommerferien also Oktober, November ging es mit Corona richtig los. Auch an diesem Jahresanfang war dann die dritte Welle. Da war ordentlich was los und es kamen im April noch die Impfungen dazu. Also ich habe Glück gehabt. Was heißt hier ich habe Glück gehabt (lacht). Aber die Produktionsphase des Albums fiel genau in die richtige Phase, nämlich zu Beginn, der Pandemie rein. Jetzt wäre es echt schwierig geworden.

Q: Ist es dann nicht ärgerlich, dass 3.0 zum 31. Jahr rauskommt?

Eigentlich ist es irrelevant, ob sie jetzt im dreißigsten Jubiläumsjahr oder zum 31-Jährigen rauskommt. Egal. Es läuft unter 30 Jahre Main Concept, weil die haben wir definitiv vollgemacht. Jetzt sind wir sogar schon in der vierten Dekade. Aber bis zum nächsten Jubiläums-Album, oder überhaupt Album, werden sicher noch ein paar Jahre vergehen.

Q: Wie hoch sind die Chancen auf eine Tour mit so einer Arztpraxis?

David Pe: Sobald es möglich ist, machen wir das. Wir machen keine Tour am Stück immer an den Wochenenden oder auch mal Donnerstag, Freitag, Samstag. Da muss ich mir ein paar Donnerstage freinehmen. Vier Wochen am Stück auf Tour gehen, das kann ich nicht machen. Das geht nicht. Ich kann erstens meine Patient*innen nicht unversorgt lassen und zweiten bin ich selbstständig. Das heißt wenn ich nicht arbeite, verdiene ich auch kein Geld. Die Rap-Kohle ist ganz nett, aber auch nicht so hoch, als das ich vernünftig leben kann.

Q: Freestylen stirbt im Mainstream zumindest etwas aus. Du bist allerdings bekannt für deine Freestyle Künste. Machst du auch Freestyle-Cyphers während den Konzerten bzw. danach?

David Pe: Meinst du Cyphers, in denen ich die Leute rauf hole oder ob ich mit mir selber cypher? Letzteres mache ich eigentlich die ganze Show durch. Ich freestyle viel in der Show, das hat sich in den letzten 20 Jahren so eingespielt. Und wenn sich dann die Gelegenheit bietet, irgendwelche Leute da sind, die auch freestylen, bin ich natürlich immer down mit denen. Manchmal ergibt es sich halt, dass irgendwelche Leute aus dem Publikum kommen, und manchmal ergibt sich nichts. Aber ich mache das nicht zu einem Prinzip, dann Leute auf Teufel komm raus Leute auf die Bühne zu holen damit sie dann freestylen. Aber jeder, der einmal auf einem Konzert von uns war, der weiß das auch.

Q: Du hast jetzt schon paar von euren Weggefährten erwähnt. Samy Deluxe und Roger Rekless sind mit der Freestyle Session auf dem Album. Aber auch 58Beats Künstler wie Boshi-San, VierZuEins oder Waseem. Die Bonner Rapperin Die P ist die Einzige, die etwas rausfällt. Wie kam das Feature zustande?


David Pe: (lacht) Das ist im Rahmen der Platte, die Frage, die mir bei jedem Interview gestellt wird. Es fällt auch auf. Es sind tatsächlich sonst nur Münchener drauf außer Samy vielleicht. Auf Die P bin ich zufällig gestoßen, über einen Instagram Post von Megaloh. Ich habe mir dann Sachen von ihr angehört, fand das echt dope und hab mich dann auch für ihre neuen Sachen interessiert. Naja, wie ich da so ihre Sachen gehört habe, waren wir auch in der gerade dabei das Album zu machen. Ich kannte sie nicht wirklich und wie schreibt man jemanden über Instagram den man nicht kennt? Wie der Zufall oder eher das Schicksal es so wollte, hat sich dann rausgestellt, dass sie die Nichte von einem alten Kollegen von uns in München ist DJ SCK – Supreme Cool Kid. Oldschool Homie von uns also ganz, ganz frühe Zeit, zwischen 1990 und 1993. Das war für mich ein Wink des Schicksals, dass ich ihr mal schreibe, ob sie uns auf dem Schirm hat und wenn ja, es sich vorstellen könnte ein Feature zu machen. Sie hatte uns tatsächlich auf dem Schirm und hat gleich zugesagt. Ich bin echt froh, dass ich das gemacht habe, weil ich erstens meine eigene Eitelkeit überwunden habe, jemanden für ein Feature zu fragen und nicht umgekehrt. Zweitens, weil sie echt dope ist und all das verkörpert was ich an HipHop schätze: Hammer Flow, wahnsinniger Druck in ihrem Flow und auch diese coolen und klugen Texte gespickt mit Lebensweisheiten. Die P passt musikalisch zu uns und dann ist da eben doch diese München Connection. Aber gut das ist sekundär. Sie hat unser Album bereichert, der Track ist der Hammer geworden und ich bin froh sie kennengelernt zu haben, weil sie auch ein sehr sympathischer Mensch ist.

Q: Hattet ihr denn Feature Ideen, die ihr eigentlich machen wolltet, die bspw. aus Zeitgründen nicht funktioniert haben? Schließlich gibt und gab es in 30 Jahren Bandgeschichte viele Weggefährt*innen.

Ich denke auch nicht in Features. Wen frage ich, der mir dann was bringen könnte, damit ich dann mehr Platten verkaufe.

David Pe: Nee, wir wollten uns kurz halten mit Features. Features sind auch immer ein Gezeter, das viel Zeit kostet. Wir haben gesagt, wir wollen jetzt schnell vorwärtskommen. Wir featuren nur unseren Münchner Kolleg*innen hier, die alle dope Rapper sind. Waseem ist tatsächlich auch das erste Mal auf einer unserer Platten vertreten, auch wenn wir uns schon länger kennen. Die Zeit war eher der Grund, warum wir uns auf unser Umfeld beschränkt haben. Ich denke auch nicht in Features. Wen frage ich der mir dann was bringen könnte, damit ich dann mehr Platten verkaufe. Das interessiert mich nicht, sondern mich interessiert wer passt gut rein. Keine Zeit fand ich, dass ist was für den Boshi-San und dem Waseem. Und beim VierZuEins Ding war auch klar, dass wir was mit denen machen. Das haben wir auch an einem Tag aufgenommen. Mit denen zu arbeiten ist immer lustig. Das sind die Leute, die uns seit Jahren und Jahrzehnten begleiten und gleichzeitig auch Leute, die wir begleiten und auch in ihren jungen Jahren beeinflusst haben. Das sind Freund*innen und Familie. Wenn es Features werden dann hier aus dem Umfeld, weil es am unkompliziertesten ist. Das mit Die P war eine Ausnahme. Kann man aber im Gegensatz zu früher alles über das Hin- und Herschicken von Dateien machen. Man hört dann zwar auch, dass es nicht im selben Studio aufgenommen wurde und muss auch nicht mehr sein. Das kann man sich heutzutage sparen und das Feature mit Die P war auch extrem unkompliziert und dafür bin ich sehr dankbar.

Q: Im Gegensatz zu Hier & Jetzt. Da waren u.a. die Beginner, Blumentopf, Samy Deluxe, Retrogott und und und drauf.

David Pe: Genau, da war es mir zum Beispiel wichtig, dass all unsere Homies mit denen wir über all die Jahre unterwegs waren vertreten sind. Da war auch Spax dabei, FlownIMMO, Get Open aus New York, Wasi. Aber Hier & Jetzt kam auch nachdem wir zehn Jahre lang kein Album gemacht haben, deswegen wollte ich alle darauf haben. Es hat halt auch echt viel Zeit gekostet. Insofern haben wir gesagt, dieses Mal bei 3.0 wollen wir effizient vorgehen.

Q: Du hast gerade Die P’s kluge Texte angesprochen, auch ein großes Markenzeichen von euch bzw. vielmehr dir. Wie wirken sich 30 Jahre Schaffen, auf das Texte schreiben aus? Stichwort: Wiederholungen.

David Pe: Ich bin tatsächlich einer, der immer noch seine Texte selbst schreibt. Das muss man heutzutage fast schon erwähnen. Ich bin auch keiner der schreibt, weil ihn die Muße küsst, sondern gehe da recht rational ran. Ich überlege mir, was will ich sagen und achte darauf, dass ich mich nicht wiederhole. Das fällt mir auch nicht schwer. Aber wenn mir ein Thema auf dem Herzen liegt, dann möchte ich das so präzise und so pointiert wie möglich rüberbringen. Ich will keine überflüssigen Sätze und achte sehr darauf, dass ich nicht in dem Vierzeiler zwei Zeilen nur brauche, um die Lücken zu füllen und um meinen geilen vierten Doppelreim vorzubereiten. Es muss schlüssig sein und gesprochen wirken. Das macht auch Spaß, wenn es gelingt und es gelingt eigentlich immer. Manchmal dauert es länger, aber wenn es dope geworden ist, ist es dann auch ein Glückserlebnis.

Q: Wenn ich mir zum Beispiel an Der Ich Bin, Brecht was Right oder Wahrheit denke ich mir die Themen und Probleme, wie z.B. Rassismus oder Kapitalismus, sind zeitlos bzw. bestehen immer noch. Wie gehst du damit um?

Ich finde die Kunst besteht nicht darin, ein Thema möglichst in die Länge zu ziehen, sondern umgekehrt möglichst in die Kürze. Das habe ich als Arzt gelernt.

David Pe: Vielleicht bearbeite ich dasselbe Thema unter einem anderen Aspekt. Deswegen brauche ich auch Zeit. Und du hast recht diese Texte sind zeitlos. Der Ich Bin habe ich zum Beispiel jetzt mit 45 Jahren geschrieben aber zu dem Thema habe ich mich schon auf unserer ersten Platte Coole Scheiße (1994) mit Zwischen 2 Stühlen geäußert und da war ich 17. Da geht es um meine Migrationsgeschichte und da hat sich vom Ding an sich nichts geändert. Meine Betrachtungsweise ist jetzt aber viel differenzierter und ich erkenne die Komplexität dieser Fragestellung nun besser als ich sie mit 17 erkannt habe. Die Beschäftigung mit dem Kapitalismus ist auf Brecht was Right in 24 Zeilen komprimiert. Als es dann auf YouTube rauskam, gingen die ersten Kommentare in die Richtung der Track sei zu kurz, aber es ist doch alles dazu gesagt. Ich finde die Kunst besteht nicht darin, ein Thema möglichst in die Länge zu ziehen, sondern umgekehrt möglichst in die Kürze. Das habe ich als Arzt gelernt. Wenn du mit deinem Oberarzt auf Visite bist, will er kurz und knapp die Info haben damit schnell eine Entscheidung getroffen werden kann. Zeit ist wertvoll und wenn wie bspw. in Brecht was Right in zwei Minuten alles gesagt ist, muss ich ihn nicht künstlich auf vier Minuten aufblasen. Ich erinnere mich immer wieder an ein Interview von GZA (Wu-Tang Clan) in dem er sagt „die Kunst des Rappens ist, die maximale Information in ein paar Zeilen zu packen.“ Für mich ist es eben der Vierzeiler. Ein Aspekt muss in vier Zeilen drin sein. Wenn du länger als vier brauchst, dann weißt du gar nicht so genau, was du eigentlich sagen willst. Das ist für mich die Kunst.

Q: Du hast schon die Informationsdichte und Form angesprochen. Für mich passt das ideal in den Schulunterricht. Rapper wie Fard oder KC Rebell sind bspw. in NRW Deutschbüchern vertreten. Würdest du gerne Main Concept im Schulunterricht sehen?

David Pe: Es gibt tatsächlich ein blaues Reclam-Heftchen mit Rap-Texten für den Unterricht. Das kam so um die Jahrtausendwende und dort war unter anderem ein Text von mir drin. Es geht mir nicht darum, dass meine Eitelkeit befriedigt wird, sondern um den Inhalt der Texte. Und wenn die Message verbreitet wird, dann ist das gut so. Ich versuche kluge und vernünftige Sachen zu sagen und trete niemanden ans Bein und demütige niemanden, um mich selbst zu erheben. Brecht was Right ist eine nüchterne Analyse des Ist-Zustandes.

Q: Wie ist denn der Ist-Zustand?

Wir haben diesen ausbeuterischen Kapitalismus. Wir haben Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, aber schlecht bezahlt und ausgebeutet werden und meistens auch Migrant*innen sind. Warum? Weil man es mit denen machen kann. Dieser Fenster-Applaus zum Beispiel hat mich so angewidert. Da klatschen Leute für die Pflegekräfte oder für die Verkäufer*innen. Das ist eigentlich nicht das schlimme, sondern die Leute filmen es auch noch und posten es, um zu zeigen was für tolle, empathische Menschen sie sind. Zwei Wochen redet keiner mehr davon und was haben die Pflegekräfte davon? Gar nichts. Ich bin Jugoslawe und spreche serbisch, kroatisch und bosnisch. Diese betroffenen Menschen sind zum Großteil meine Patient*innen also die Pfleger*innen, Paketzusteller*innen, Bauarbeiter*innen, Reinigungskräfte. Anstatt die Situation bspw. für die Pflegekräfte zu verbessern, wird nur geredet. Dann guckst du dir eine Talkshow an und da sitzen lauter genuin Deutsche. Es ist in Ordnung, wenn sie den Beruf machen und dann auch darüber reden wollen, aber das bildet nicht die Realität ab. Unser System funktioniert nur mit diesen ganzen Arbeitsmigrant*innen. Das glorreiche Gesundheitssystem, von denen die Politiker*innen immer schwadronieren und schwärmen, funktioniert nur, weil diese Leute die Arbeit machen. Wenn die nicht da wären, würde es zusammenbrechen und gar nichts funktionieren und das muss gesagt werden. Einfach.

Q: 2021 ist auch Wahljahr und ich persönlich tue mich schwer, bei meiner Wahlentscheidung dieses Jahr. Wie denkst du darüber?

…alle sind ich einig „Ja, ja das ist ein Problem“ erklären aber gleichzeitig, warum man es nicht ändern kann, weil sonst die Wirtschaft zusammenbricht.

David Pe: Ich tu mich nicht schwer bei meiner Wahlentscheidung. Ich weiß, seit ich wähle, wen ich nicht wähle. Aber ich bin prinzipiell für einen generellen Wechsel, weil die jetzige Situation festgefahren ist. Es stehen viele Herausforderungen an zum Beispiel die diverse Gesellschaft, adäquat in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Medien zu repräsentieren. Das Klimaproblem wird definitiv zu einem großen Problem, wenn da nicht schnell gehandelt wird. Die Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt durch Subunternehmer und Ausbeuter muss angegangen werden. Menschen gehen kaputt daran, während wenige profitieren und viele darunter leiden. Dann schaust du Talkshows und alle sind ich einig „Ja, ja das ist ein Problem“ erklären aber gleichzeitig, warum man es nicht ändern kann, weil sonst die Wirtschaft zusammenbricht. Ich bin schon der Meinung, dass man das lösen kann man muss es nur wollen. Insofern bin ich gespannt auf die Wahl und hoffe, dass ein Regierungswechsel stattfinden wird. Ich denke man muss es wenigstens versuchen.

Q: Zum Schluss David, hast du in einem Interview mal gesagt du bist nicht nur Rapper, Arzt und Vater, sondern auch Philosoph.

David Pe: Habe ich das? (lacht)

Q: Mich würde jetzt interessieren, hast du eine Philosophieschule, die du vertrittst oder einen Lieblingsphilosoph*in.

Diese Überheblichkeit in unserer Gesellschaft von Leuten, die auf ihre Meinungen beharren. Keiner weiß irgendwas!

David Pe: Hättest du mich das kurz nach meinem Abitur gefragt, dann hätte ich dir besser antworten können. Ich hatte Latein Leistungskurs und habe die ganzen Klassiker rauf und runter übersetzt. Aber mein Lieblingszitat ist von Sokrates „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Diese Überheblichkeit in unserer Gesellschaft von Leuten, die auf ihre Meinungen beharren. Keiner weiß irgendwas! Ansonsten würde ich nicht sagen, ich bin Stoiker oder Kyniker oder Gefolgsmann von dem und dem modernen Philosophen. Aber die Philosophie ist die Liebe zur Weisheit. Und letztendlich philosophieren wir über das Leben und wie wir es am besten möglich gestalten können. Nicht nur für uns selbst, aber auch für alle anderen. Wenn jemand einen anderen gut geht, dann profitiere ich auch davon. Ich sympathisier aber auch sehr mit Sufis, den islamischen Mystikern. Die haben ein hochpsychologisches und philosophisches System, was den Menschen und seine Eigenarten in allen Charakteristiken abbildet. Insofern würde ich sagen, wenn man das als Philosophen Schule bezeichnen kann, ich bin Sufi. Auch ohne religiös zu sein, denn das braucht es nicht. Letztendlich bin ich ein spiritueller Mensch. Wenn man über das Leben philosophiert, dann muss man auch berücksichtigen, dass jeder von uns Teil eines großen Ganzen ist und nochmal Teil eines großen Ganzen usw. Das nenne ich immer dann die spirituelle Komponente.

Q: Um den akademischen Block abzuschließen: Drei Bücher die jede*r Student*in gelesen haben muss?

David Pe: 1984 von Orwell, mindestens ein Buch von Robert Anton Wilson und Der kleine Nick von René Goscinny dem Autor von Asterix. Ein Kinderbuch voller geistreicher und witziger Geschichten über das Leben. Das hat mir mein Vater schon vorgelesen und ich habe es meinen Kindern vorgelesen als sie noch kleiner waren. Man erkennt sich und andere oft darin wieder und selbst wenn es ein Kinderbuch ist, kann man es als Erwachsene*r gut lesen.