Lilly Among Clouds im Interview
Written by Nicola Koch on 1. Februar 2020
Lilly Among Clouds, gebürtig Elisabeth Brüchner, schreibt Songs über alle Dinge, die sie beschäftigen. 2017 veröffentlichte sie ihr erstes Album „Aerial perspective“, 2019 folgte „Green Flash“. Im Interview hat die Würzburgerin uns erzählt, warum die große Klimadiskussion oftmals vom eigentlichen Problem ablenkt und dass sie sich mit „Green Flash“ stilmäßig ein bisschen selbst gefunden hat.
„Selbst wenn niemand groß auf das Album reagiert hätte, wäre ich trotzdem stolz gewesen. Einfach weil ich Musik veröffentlicht habe, die meinen eigenen Musikgeschmack spiegelt.“
Lilly Among Clouds
Radio Q: Warum sind Hühner eigentlich die besseren Haustiere?
Lilly: Es ist total das coole Gefühl, wenn du auf einmal keinen Müll mehr hast. Meine Essensreste sind immer noch für jemanden voll die Freude. Wir schneiden ja auch ganz viel Obst und Gemüse weg, das nicht mehr so schön aussieht und das hat so alles seine Verwertung. Gleichzeitig glückliche Hühner zu sehen, ist für mich absolute Therapie. Und ich habe Eier und auch ein bisschen Fleisch, bei dem ich weiß, wo es herkommt.
Du hast ein Huhn namens Hans im Glück. Haben die anderen auch alle Namen?
Nein, nicht alle. Es sind eben keine Kuscheltiere. Sie sind gerne bei dir, aber sie
müssen nicht.
Dein Gemüsegarten ist ein richtiges Paradies. Ist das für dich auch ein Ruhepol während dem ganzen Musikerleben?
Ja, ich bin sowieso gerne draußen. Mit dem Garten probiere ich den Gemüseanbau einfach mal aus und es ist echt überhaupt nicht so einfach, wie es sich alle vorstellen. Bio müsste noch viel teurer sein! Wenn du nicht spritzt und mit normalen Mitteln versuchst, das alles irgendwie am Leben zu halten, konkurrierst du die ganze Zeit mit der Natur um dein Essen. Ich hatte eine Plage zur Nächsten. Da merkt man erst, wie anspruchsvoll es ist, gutes Gemüse zu ernten. Durch den Supermarkt haben wir gar kein Bewusstsein mehr dafür, dass das nicht einfach im Laden wächst.
Bist du mit Natur und Gemüsegarten aufgewachsen oder hast du dir das selbst angeeignet?
Durch meinen Papa, der Landschaftsgärtner ist, kenne ich die Gerätschaften wie die Heckenschere. Deshalb habe ich keine Angst davor. Aber gleichzeitig hatten wir auch einen großen Garten ein bisschen außerhalb, in dem ich viel gespielt habe.
In deinem Song „Look At The Earth“ sprichst du ja auch von der Umweltzerstörung durch den Menschen. Der Text klingt für uns emotional und auch ein bisschen verärgert. Haben wir das richtig interpretiert?
Ja, es ist schön, dass man das hört. Als das Lied im letzten Sommer veröffentlicht wurde, war die Klimadiskussion ein großes Thema. Ich habe dann oft die Frage bekommen: „Du setzt dich also für Klimaschutz ein?“ Das war für mich sehr schade, denn Naturschutz ist ja Klimaschutz und ich setze mich ja indirekt immer dafür ein!
Die ganze Diskussion lenkt aber einfach davon ab, dass der Lebensstandard eben eigentlich schuld ist. Es will natürlich niemand irgendwo zurückstecken. Ich als Naturschützerin möchte lieber Schilder gegen Massentierhaltung aufstellen und aktiv Dinge ändern, als es mir leicht zu machen und das Ganze auf die Regierung zu schieben. Ich kann damit natürlich verdrängen, dass ich etwas ändern muss oder dass sich vielleicht an unserem System etwas ändern muss.
Aber es ist verrückt, alle Tiere im Kinderbuch, Löwe und so weiter, sind alle nur noch an dezimierten Zahlen vorhanden. Seit ich am Land wohne und einfach mal meinen Garten wild stehen lasse, verstecken sich in jedem Halm Insekten und Co. Und in ganz aufgeräumten Stadtgärten denken die Leute, ihre Wiese wäre Natur. Aber weißt du, da krabbelt nichts, da ist nichts am Leben! Das ist für mich keine Natur, das ist Deko.
Ja, da hast du bei mir ‘nen guten Punkt erwischt! [Lachen]
Das ist manchmal hart zuzugucken. Ich kann meinen eigenen Garten tiergerecht machen, aber ich kann ja nicht die Welt ändern, habe ich manchmal das Gefühl.
Findest du denn auch, Personen des öffentlichen Lebens haben ein Stück weit eine Verantwortung, was Umweltschutz betrifft?
Auf jeden Fall, aber gleichzeitig ist es auch die Frage, ob man dann Marketing draus macht. Geht’s zum Beispiel um Fairtrade oder nachhaltige Kleidung, ist eben einfach das Nachhaltigste, nicht so viel Kleidung zu kaufen! Also ich kann damit natürlich Geld machen oder eine Botschaft senden, aber es ist total schwer, das zu machen, ohne den Leuten eine unangenehme Nachricht zu sagen. Wenn ich sage „Iss halt weniger Fleisch“ und die Reaktionen sind nur: „Das ist löblich, aber für mich gilt das nicht“, bewirke ich dann überhaupt etwas? Ich weiß es nicht. Ein tiefes Thema, ich könnte da stundenlang drüber reden. [Lachen]
Dein zweites Studioalbum „Green Flash“ ist im September im letzten Jahr rausgekommen. Wie waren die Reaktionen, warst du zufrieden?
Ja definitiv, ich habe mich sehr wohl gefühlt in meiner Haut. Gott sei Dank sehe ich Musik und Kultur schon immer ziemlich gelassen als etwas, das erst dann Sinn macht, wenn es eine Vielfalt gibt. Das ist ja das Freie an Kultur, man muss nicht eine Meinung und einen Geschmack haben. Deshalb hatte ich noch nie Hemmungen, so zu singen, wie ich singe und das macht das Ganze ein bisschen leichter.
Ich hatte auch eine Riesen Vorfreude, das Album zu veröffentlichen, weil ich sehr viel Spaß beim Aufnehmen hatte. Es geht in die Richtung von Musik, die ich selbst gerne höre. Vorher waren es viel mehr Balladen, was natürlich auch schön ist, aber ich selber höre eigentlich lautere Musik. Mal auszuprobieren, so etwas zu schreiben, hat mich erstaunlich wenig nervös gemacht! Selbst wenn niemand groß auf das Album reagiert hätte, wäre ich trotzdem stolz gewesen. Einfach weil ich Musik veröffentlicht habe, die meinen eigenen Musikgeschmack spiegelt.
Deshalb habe ich nach der Veröffentlichung auch gar nicht groß Rezensionen gegoogelt, sondern mich einfach darauf konzentriert, wie ich das Ganze jetzt live auf die Bühne bringe.
Da sprichst du etwas Gutes an: live auf die Bühne. Das macht bestimmt richtig Spaß, den Leuten die Musik auch nochmal live zu zeigen.
Ja! Vor allem gibt es bei dem Album, im Vergleich zu meinem Ersten, ganz viele Leute, die die Lieder mitsingen. Ich habe früher sehr viel Feedback zu meiner Stimme bekommen, aber ich grüble eigentlich viel länger an meinen Texten und möchte so viel sagen. Und wenn jetzt Leute den Text mitsingen, dann heißt das, sie haben sich damit beschäftigt und dann bin ich immer so „Boah, wie cool!“
Gibt es denn live Publikumsfavoriten und haben die dich überrascht?
Das ist ein bisschen äquivalent zu Spotify Playzahlen. Je nach Publikum sind die einen am Wochenende aber auch mehr für Tanzen und unter der Woche kommen dann oft die entspannten Songs besser an.
Radio Q: Sind denn die Top 5 Songs bei Spotify auch deine eigenen Favoriten oder hast du zu anderen Songs eine emotionalere Bindung? Kann man das als Künstler überhaupt sagen?
Also ich kann es insoweit nicht sagen, weil ich gemerkt habe, dass jedes Lied in dem Set seinen Platz und seinen Sinn hat. Das erkläre ich auch Leuten, die dann sagen „aber die Balladen sind doch so schön!“ – ich kann mich eben aber nur auf die Balladen freuen, wenn ich mich vorher ausgepowert habe. Trotzdem gibt es aber ein, zwei Songs, die für mich als Künstler eine besondere Bedeutung haben. Dabei geht es nicht darum, wie ich sie geschrieben habe, denn aus der Sicht sind alle auf der gleichen emotionalen Ebene. Aber beispielswiese war der Song „Wasting my Time“ der erste Song, den wir als Klavier Ballade mal mit doppelter Geschwindigkeit ausprobiert haben. In dem Moment hat sich für mich eine komplett neue Welt geöffnet an Möglichkeiten, was ich alles aus meiner Musik machen kann. Dafür bin ich dem Lied so dankbar, auch, weil das ein Stück weit eine Befreiung für mich war. Wenn ich das Lied jetzt singe, fühle ich diese Befreiung, aber nicht unbedingt vom Text her.
Radio Q: Wie du gerade auch schon bisschen angesprochen hast, hat sich also deine Vorgehensweise bei Green Flash gegenüber Areal Perspective geändert?
Ja, allein das Selbstbewusstsein, wobei Selbstbewusstsein da vielleicht nicht das passende Wort ist. Beim ersten Album war mein Gedanke „Krass, ich nehme jetzt meine Lieder auf!“. Meiner Meinung nach habe ich dann die Veröffentlichung gebraucht, um mich als offizieller Künstler zu fühlen. Erst dann habe ich angefangen, mich damit auseinanderzusetzten, was das eigentlich alles beinhaltet. Ist denn wirklich alles immer so anstrengend? Ich war der ganzen Sache nämlich immer sehr skeptisch gegenüber, vor allem was Selbstzweifel und Unsicherheiten betrifft. Dann ist mir aber klar geworden, dass es ein absolutes Privileg ist, Musik machen zu können. Es gibt nämlich genug Länder oder Ecken, in denen das nicht so ohne weiteres möglich ist. Somit ist mir dann der Gedanke gekommen, dass es nicht fair der Sache gegenüber wäre, wenn ich nicht alles geben würde, was ich an Lieber zur Musik habe.
Radio Q: Also hast du deiner Meinung nach, was den Musikstil betrifft, eher zu dir selbst gefunden?
Ja, irgendwie schon. Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, wo das Ganze noch so hinführen wird. Einige haben mich auch gefragt, was beim nächsten Album passieren wird, nachdem ich meinen Stil ja jetzt so geändert habe. Darauf habe ich aber noch keine Antwort.
Radio Q: Dann möchten wir aber auch noch ein bisschen über deine Tour reden. Du bist schließlich schon eine Weile unterwegs. Gab es denn städtemäßig gewisse Highlights für dich?
Eigentlich nicht im Sinne von, dass eine Stadt anders war. Aber es gibt ja gewisse Vorteile zu manchen Städten und Ecken, die sich erstaunlicherweise nicht bewahrheitet haben. Über Bielefeld wurde mir gesagt, dass es schon gut wäre, wenn die Leute mitwippen. Dort wurde aber tatsächlich getanzt wie blöd. Am nächsten Tag waren wir in einem tollen Saal mit guter Stimmung, wo sich niemand bewegt hat. Es hat sich also fast kein Vorurteil bestätigt, weswegen ich mir dann schon auch etwas blöd vorgekommen bin, dass ich diese Gedanken überhaupt hatte.
Ein Highlight war aber, wie vorhin schon angesprochen, dass so viele Leute mitgesungen haben. Das zeigt meiner Meinung nach ein noch tieferes Verständnis der Musik. Das hatte ich tatsächlich vorher noch nie.
Radio Q: Das war also auch die grundsätzliche Veränderung zur ersten Tour?
Beim ersten Album war es so, dass man zuhause sitzt und schreibt, aber niemand hat je davon etwas mitbekommen. Das ist quasi ganz neu. Beim zweiten Album gibt es dann aber viel mehr Leute, die sich das alles schon bisschen länger angehört haben.
Radio Q: Wir haben auch deine Acoustic Session von „Closeness“ auf YouTube gesehen. Da spielst du gleichzeitig Piano, eine Tom und singst dazu. Machst du das heute Abend auch auf der Bühne?
Leider nicht, nein. Aber ich spiele dafür Bass bei manchen Liedern. Das Coole ist aber, dass man sich bei Acoustic Sessions immer was anderes ausdenken muss. Da wir nur zu zweit waren, haben wir das einfach mal ausprobiert und es hat richtig viel Spaß gemacht.
Radio Q: Das hast du dir also sozusagen extra für das Video überlegt?
Wir haben im letzten April zur alten Platte eine Acoustic-Tour gespielt. Allerdings kann ich nicht eineinhalb Stunden nur ruhige Musik spielen, dafür bin ich viel zu hibbelig. Also habe ich irgendwann eine Tom dazu genommen und gedacht „Das muss doch irgendwie gehen!“ Und ja, das hat dann auch geklappt.
Radio Q: Wir haben jetzt noch eine Schnellfragerunde vorbereitet. Wir nennen dir ein paar Begriffe und die haust einfach raus, was dir dazu einfällt. Bereit?
Oh, das ist spannend!
ESC? ÖÖÖÖÖÖÖÖHHH! Ist das auch eine Antwort? [lacht] Ich habe gehört es gibt gar keinen Vorentscheid dieses Jahr.
Dein absolutes Lieblingslied für immer und ewig? Ich habe vielleicht so 10 Lieblingslieder. Da bin ich gerade leider nicht so schnell. Was ist denn dein Lieblingslied?
Toto, Africa – für immer und ewig!
Ach geil! [Lacht] Ich überlege gerade was, mein Leben absolut geprägt hat. Toto Africa vielleicht nicht unbedingt. [Lacht] Ich geh mal zu Lauryn Hill, Doo Wop.
Münster? Super schön! Ich wünschte, ich hätte hier studiert. Und das sage ich jetzt nicht, weil ich bei euch zu Besuch bin. [Lacht] Ich bin damals einfach in die nächste Stadt gezogen und gar nicht so weit weg, obwohl das mein Plan war. Münster hat einfach Flair, man kommt mit dem Rad überall hin. Würzburg dagegen hat echt ein Radfahrproblem. Ich hätte echt ein bisschen mehr rumschauen sollen, bevor ich mich so blind entschieden habe.
Lieblingssnack? Heidelbeeren. Leider funktioniert der Anbau in meinem Garten nicht so gut, aber das ist auch eher schwer.
Green Flash? Schöne Farbe. Ich liebe Neongrün, habe mich also sehr gefreut, als das Mode wurde. Letztendlich habe ich das ja dann auch für mein Album genommen.
Guilty Pleasure? Das ist jetzt vielleicht kein cooles Guilty Pleasure, aber ich packe überall sehr viel Zucker rein.
Greta Thunberg? Puh, da könnte ich jetzt wieder so viel darüber erzählen. Aber krasses Mädel, würde ich mal sagen.
Deine Platte für die Insel? Arctic Monkeys, AM.
Würzburg? Wein! Eigentlich würde ich eine Stadt eher nicht auf ein Getränk reduzieren, aber die Stadt trotzt vor Wein.
Sonntagabend? Therme, da hätte ich jetzt richtig Bock bei dem Wetter.
ein Interview von Ramona Börner und Nicola Koch.