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Evolutionstheorie

Geschrieben von am 1. Juni 2017

Das Leben besteht aus Momentaufnahmen. Um auf der Erde zu überleben, müssen die Arten sich anpassen und fortwährend verändern. Seit Charles Darwin uns vor 150 Jahren die Evolutionstheorie vorgelegt hat, verstehen wir unsere Herkunft immer besser.
Sein Durchbruch war jedoch keine Selbstverständlichkeit, auch wenn seine Erkenntnisse der heutigen aufgeklärten Welt einleuchtend erscheinen. Jedes Jahr finden Forscher mehr Hinweise. Seine Thesen werden belastbarer denn je.
IQ begleitet mit euch die Evolutionstheorie auf dem Weg vom 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit.

Charles Darwin ist der Vater der Evolutionstheorie. In seinem weltberühmten Buch “Über die Entstehung der Arten” (orginal “On The Origin Of Species”) formuliert er das Phänomen der Evolution vielfältigen irdischen Lebens. Dass er der Welt dieses revolutionäre Werk einmal präsentieren würde, war aber nie eine Selbstverständlichkeit.

Wir leben heute in einer Zeit der Selbstverwirklichung. Geh deinen Weg, mach dein Ding – für uns sind das Idealvorstellungen. Aber im frühen 19. Jahrhundert hatte ein Charles Darwin nach der Pfeife seines wohlhabenden Vaters zu tanzen. Der sah den Sohn schon in seinen eigenen Fußstapfen – ein Medizinstudium in Edinburgh sollte ihn zum Arzt machen. Daraus wurde jedoch nix. Charles konnte weder Blut noch leidende Menschen ertragen und wich dem Studium aus, indem er marine Wirbellose an der schottischen Küste untersuchte.

Er hatte in der Medizin also keine Zukunft, das erkannte auch sein Vater. Der bugsierte seinem Sohn stattdessen in die Theologie, die kurioserweise später seine schärfste Kritikerin  werden sollte. Auch für dieses Studium brachte Darwin keine Begeisterung auf, schloss es letztendlich aber doch ab. Sein liebster Zeitverbleib diesmal: Insekten sammeln.

Es brauchte aber erst die lang ersehnte Forschungsreise auf der “Beagle”, bis Darwins Entdeckungen und Erkenntnisse die Evolutionstheorie in ihm reifen ließen, bis aus Hobby Wissenschaft wurde.

Innerhalb von fünf Jahren besuchte er mit dem Vermessungsschiff unter anderem Südamerika, Neuseeland und die Galapagos-Inseln. Dort fand er auch die nach ihm benannten Darwinfinken. Das sind Kleinvögel, die sich je nach Nahrungsangebot und Konkurrenz von Insel zu Insel in Größe und Schnabelform unterscheiden. Gibt es reichlich Nüsse, sind die Schnäbel groß und kräftig. Kommen die Vögel leichter an Insekten ran, sind sie kleiner und spitz. Trotz dieser Dynamik führte Darwin sie damals bereits auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. 1999 gaben ihm gentechnische Methoden Recht. Es war diese Reise, die ihn auf Konfrontationskurs mit der Kirche brachte. Als erzkonservative Institution lehnte sie jeden Gegenentwurf zur Schöpfung ab. Doch der Theologie-Absolvent Darwin hatte zu viel gesehen, um die kirchlichen Lehren nicht mehr in Frage zu stellen.

Gott greife nicht permanent ins Weltgeschehen ein. Als Atheist bezeichnete Darwin sich allerdings nie.

So stellte er einen schöpferischen Ursprung der Naturgesetze auch im hohen Alter nicht in Frage. Aber er hatte die Lager gespalten. Sein Buch “Über die Entstehung der Arten” wurde hauptsächlich von Atheisten und Wissenschaftlern verteidigt, und von religiösen Würdenträgern angegriffen. Und in der modernen aufgeklärten Welt gilt sein Lebenswerk noch immer als aktuell.

Die zwei zentralen Begriffe, die bei der Evolution eine Rolle spielen sind “Variation” und “Selektion”. Variation bezeichnet die Unterschiede verschiedener Merkmale eines Individuums, die vererbbar sind.

Selektion bedeutet die “Auslese schlecht angepasster Lebewesen”.

Wer nicht ausreichend an seine Umwelt angepasst ist, kann sich nicht fortpflanzen und stirbt aus. Grob gesagt hängt das Bestehen einer Art also davon ab, wie oft sie sich fortpflanzen kann. Gehen wir aber einen Schritt weiter und betrachten die beiden Mechanismen auf molekularbiologischer Ebene, ist Evolution das Ergebnis von Genveränderung. Professor Kurtz vom Institut für Evolution & Biodiversität an der WWU Münster fasst Evolution aus genetischer Sicht so zusammen: “Erbliche Information ist in Form von Genen codiert. Das führt dazu, dass in der nächsten Generation diese Gene, die einen Vorteil hatten, in höherer Frequenz vorliegen.

Eine Veränderung der Frequenz der Gene – das ist Evolution.”

D.h. die Lebewesen, die sich durch ihre Gene am besten anpassen, können sich am häufigsten vermehren. Dadurch sind ihre Gene im Genpool einer Art am meisten vorhanden und können sich langfristig durchsetzen. Um das Ganze zu veranschaulichen, nennt Professor Kurtz das Beispiel der wechselseitigen Anpassung zwischen Gazelle und Gepard: “Es gibt Gene, die führen dazu, dass die Gazellen schnell rennen können. Gleichzeitig gibt es die Geparden, die auch schnell rennen können. Das heißt, der Selektionsdruck ist hier, dass die Jäger sehr schnell sind. Die Gazellen bringen dann die Gene für schnelles Bewegen, für lange Beine, in die nächste Generation. Weil diejenigen, die kurze Beine hatten, haben nicht überlebt. Und so kann es im Laufe der Zeit dazu führen, dass sich das gegenseitig verstärkt.

Die Geparden werden immer schneller, die Gazellen aber auch. Und so sieht man dann die phantastischen Anpassungen, die wir heute haben.”

Das geht allerdings nicht einfach über Nacht. Bis sich Gene durchgesetzt haben, dauert es Generationen. Neben dem Zeitfaktor gibt es noch einen entscheidenden Aspekt: Den Zufall.  Genmutationen, also die Veränderung der Gene, die letztendlich zur Veränderung der Spezies führt, sind eigentlich rein zufällige “Fehler”. Bei der Replikation, der Vermehrung der Gene während der Fortpflanzung, kommt es immer wieder zu fehlerhaften Prozessen, wodurch Mutationen entstehen. Insgesamt gibt es drei verschiedene Arten von Mutationen, nicht alle haben eine Auswirkung auf das Lebewesen:

“Es ist so, dass die meisten Mutationen neutral sind. Es gibt dann sehr viele Mutationen, die sind eher negativ. Und es gibt nur ganz wenige, die sind positiv. Selektion wird jetzt dazu führen, dass die Negativen beseitigt werden und dass die Neutralen einfach da bleiben, da wird nicht viel mit passieren, die sind aber vorhanden und können in anderen Umständen und Umwelten auch mal vorteilhaft sein. Und die vorteilhaften führen dazu, dass sich diese Mutationen im Laufe der Generationen durchsetzen. Aber auch negative und positive Mutationen sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Man unterscheidet zwischen Phäno- und genotypischen Modifikationen. Phänotypische Veränderungen beeinflussen das Erscheinungsbild und Eigenschaften einer Art, sind also äußerlich erkennbar. Genotypische Veränderungen beeinflussen die Spezies nicht, sie sind nur auf molekularbiologischer Ebene erkennbar. Allerdings können genotypische Mutationen irgendwann zu einer phänotypischen Veränderung führen: “Die Gene, die keinen Phänotyp hervorrufen, die werden nicht der Selektion unterliegen. Das heißt:

Wir haben im Laufe der Zeit eine Anreicherung genetischer Variabilität, die aber gar nicht sichtbar ist. Und jetzt kann es dazu kommen, dass eine weitere Mutation dazukommt, die in Kombination mit den anderen Mutationen, die nicht sichtbar waren, zu einem Unterschied im Phänotyp führt.”

Allerdings sind das eher Ausnahmen. Die meisten Mutationen haben einen phänotypischen Effekt, auch wenn dieser oftmals klein ist. Zusammenfassend ist Evolution kein Wunder, sondern ein Prozess bestehend aus Fortpflanzung und Anpassung. Ein Prozess, der erst durch zufällige Fehler möglich wird.

Spätestens, seit es die modernen Methoden der Gensequenzierung gibt, zweifelt kein Wissenschaftler ernsthaft an der Evolutionstheorie. Seit Mitte der Neunzigerjahre kann man die DNA eines jeden Lebewesens bis ins Detail untersuchen.  Auch an der Uni Münster wird Evolution mit Gensequenzierungsverfahren nacherlebt, erklärt Professor Bornberg-Bauer, Bioinformatiker an der Uni Münster.

“Wir versuchen zu verstehen, wie man aus der Analyse dieser Daten die Evolutionsgeschichte zurückrechnen kann. Wir rekonstruieren mit bioinformatischen Methoden die Sequenzen, die in den Vorgängern vor Millionen, Zigmillionen Jahren gegeben waren.”

Evolution durch Gensequenzierung genau verstehen

Indem man die Gene verschiedener Tierarten miteinander vergleicht, kann man genaue Aussagen über die Verwandschaftsgrade treffen. Mensch und Schimpanse müssen einen gemeinsamen Vorfahren haben, anders sind die Ähnlichkeiten in den Genen nicht zu erklären. Mensch und Hund haben ebenfalls einen gemeinsamen Vorfahren, allerdings liegt der deutlich weiter in der Vergangenheit. Und sogar Mensch und Brennnessel teilen sich einen Urahnen, Milliarden Jahre in der Vergangenheit. Alles fällt in einen perfekten Stammbaum.

Revolutionär sind die Erkenntnisse aber nicht. Zwar weiß man jetzt über ein paar Verwandschaftsverhältnisse besser Bescheid, zum Beispiel ist der Mensch mit dem Neandertaler enger verwandt, als bisher angenommen. Im Groben bestätigt der neue Stammbaum aber nur, was man ohnehin schon wusste. Denn auch ohne Molekularbiologie lässt sich mit Fossilien ein ganz ähnlicher Stammbaum erstellen.

Fossilien: Die ältesten Beweise für die Evolution

Professor Hans Kerk, Professor für Paläontologie an der Uni Münster, erklärt, dass man so das Alter längst ausgestorbener Tier- und Pflanzenarten auf Sekundenbruchteile genau bestimmen kann. Auf evolutionäre Zeiträume übertragen, versteht sich.

“Man muss sagen, dass es in den letzten zehn, zwanzig Jahren enorme Fortschritte gemacht hat. Früher gab es eine Datierung: 65 Jahre plus/minus 3, mittlerweile ist das so 65 plus/minus 0,002.”

Die Altersbestimmung von Fossilien funktioniert mit sogenannten radioaktiven Uhren. Diese bestehen meistens aus Vulkangestein, das in einem bestimmten Erdzeitalter plötzlich erkaltet und fest wird. In dem Moment, in dem das Vulkangestein fest wird, befindet sich eine bestimmte Menge eines radioaktiven Stoffes darin, der anfängt, in andere Elemente zu zerfallen.

Weil man weiß, in welchem Tempo der Stoff, zum Beispiel Uran, zerfällt, kann man anhand des Verhältnisses zwischen dem radioaktiven Ursprungsstoff, und den nichtradioaktiven neuen Elementen das Alter des Steins ziemlich genau bestimmen, und damit auch das Alter des Fossils, das man in der Nähe des Steins findet. Und weil es viele radioaktive Elemente mit sehr hohen Halbwertszeiten gibt, kann man mit der Methode sehr weit in die Vergangenheit schauen.

Kein Säugetier bei Dinoknochen

Doch sogar weit bevor man diese Methode zur Altersbestimmung kannte, gab es genügend Belege für die Evolution. Man konnte Gesteinsschichten unterscheiden, in denen jeweils unterschiedliche Fossilien zu finden waren. Die Schichten gehen auf unterschiedliche Erdzeitalter zurück: Kreide, Jura, Perm, Kambrium. Schon hier findet sich eine beeindruckende Hierarchie, erklärt Professor Kerk:

“Das hilft insofern, dass wir sehen, dass es wirklich eine Entwicklung gibt. Man kann sehen, wie in der Zeit sich bestimmte Formen entwickeln. Das geht in der Regel von einfach bis immer komplexer. Pflanzen haben ganz klein angefangen, wenige Millimeter groß und dann sieht man, dass die Dinger größer werden. Irgendwann entwickeln sie Blätter, vorher waren das nur unbeblätterte Achsen. So geht die ganze Entwicklung weiter, und das kann man wirklich sehr schön verfolgen.”

Je neuer die Gesteinsschicht, desto komplexer wird das Leben, das dort seine Spuren hinterlassen hat.
Es wäre leicht, Darwins Theorie zu widerlegen. Ein einziger Fund eines Säugetierfossils im Präkambrium und die Evolution wäre hinfällig. Doch das ist nicht passiert.

Evolution im Labor

Doch das vielleicht überzeugendste Argument ist, dass sich mit der Evolutionstheorie Aussagen treffen lassen, die man überprüfen kann. Evolution kann im Labor nachgestellt werden, und passiert dort vor unseren Augen.

Der Wissenschaftler Richard Lenski begann 1988 mit dem Long Term Evolution Experiment. Seit fast 30 Jahren entwickeln sich in seinem Labor 12 Linien eines Stamms von E.Coli-Bakterien, mittlerweile in der fast Siebzigtausendsten Generation. Dabei profitiert er auch von den enormen wissenschaftlichen Fortschritten seit Beginn des Experiments, wie Professor Bornberg Bauer erklärt:

“Das Experiment hat immer wieder E.Coli-Stämme unter bestimmten Selektionsdruck gesetzt und immer wieder die Fraktionen aus den Experimenten gezogen und tiefgefroren. Damals hat er noch nicht gewusst, dass es später mal möglich sein würde, die Genome von diesen Stämmen zu sequenzieren. Mittlerweile ist ihm das natürlich eine glückliche Fügung gewesen, dass das inzwischen seit zehn, fünfzehn Jahren gut möglich ist.”

Interview mit Richard Lenski über das “Long Term Evolution Experiment”

Immer wieder aufs Neue bestätigt Lenski die Vorhersagen der Evolutionstheorie und findet neue Mechanismen. Denn auch wenn das Prinzip gut verstanden ist: Im Detail gibt es noch immer viel herauszufinden.

Die Idee von Evolution durch Selektion stammt aus der Biologie, und ist in der Biologie bis heute das wichtigste Werkzeug, um zu erklären, warum Dinge so sind, wie sie sind. Doch außerhalb der Biologie kann es nützlich sein, das Prinzip der Evolution zu verstehen.

Vieles muss angepasst sein

Sprachwissenschaftler stellen sich die Frage, warum sich Sprachen so unterschiedlich entwickelt haben. Es ist auffällig, dass Sprachen im osteuropäischen Raum viele Konsonanten enthalten, während romanische Sprachen aus vielen Vokalen bestehen.

Auch in ihrer Komplexität unterscheiden sich Sprachen oft enorm. Sind diese Muster erklärbar?

Es wäre vorstellbar, dass auch hier Auslesemechanismen wirken. Unter Umständen sind in bestimmten Kulturen und Umgebungen Sprachen sinnvoll, die einfach zu lernen sind und mit wenigen Wörtern auskommen. Andere Sprachen sind vielleicht darauf angewiesen, auch komplizierte Sachverhalte erklären zu können, und das möglichst präzise.

Aus “gene” wird “meme”

Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins wollte in seinem Buch “das egoistische Gen” die Evolutionstheorie anschaulich machen.

Er entwarf die Theorie, dass man nicht nur biologische, sondern auch kulturelle Entwicklungen mit der Evolutionstheorie erklären könne. 

Analog zum Gen, der kleinsten Einheit einer Erbinformation, prägte er den Begriff “Mem”, als kleinste Einheit eines Kulturguts. Ein Mem kann eine Idee, ein cleverer Satz, eine Information oder eine Handlungsanweisung sein.

Viele “erfolgreiche” Religionen haben einen Missionierungsauftrag

Die Memtheorie könnte zum Beispiel erklären, warum Religionen mit eingebautem Missionierungsauftrag sich auf der Erde durchgesetzt haben. Der Missionierungsauftrag wäre das Gen, das den Organismus (hier die Religion) vervielfältigt: Sie kann sich besser fortpflanzen, sodass der Missionierungsauftrag im Genpool – oder Mempool, wie es bei Dawkins heißt – häufiger vorkommt.

Kritik an der Memtheorie

Kritik an der Memtheorie kommt vor allem aus der Sozialwissenschaft. Die Meme seien nicht so klar voneinander abzugrenzen wie Gene in der Biologie. Außerdem fehlt die physische Grundlage, wie sie in Form von Basensequenzen in der Biologie vorliegt.

Doch mindestens als Analogie kann die Evolutionstheorie helfen, um auch Vorgänge außerhalb der Biologie zu verstehen. Alles, was gut an die Umwelt angepasst ist, und sich vermehrt, überlebt besser. Das müssen nicht nur Tiere und Pflanzen sein.