SPOT Festival 2016 – Nachbericht
Written by Redaktion on 20. Mai 2016
Allgemeines zum Festival
Das SPOT Festival ist neben dem Eurosonic eines der großen europäischen Showcase-Festivals und Musikindustrietreffen mit besonderem Fokus auf die skandinavische Szene und deren Newcomer. Vom 28.04 – 01.05 ist das dänische Aarhus wieder kurzzeitig zum Mekka für Musikliebhaber geworden – ein Festival, das wir uns selbstredend nicht entgehen lassen wollten und das wir auch euch nicht vorenthalten wollen!
Auf ca. 30 verschiedenen Bühnen fanden dieses Jahr bis zu 200 Konzerte statt, für junge aufstrebende Bands, kurz vor ihrem nächsten Schritt – sei es ein Label signen, ihre EP international veröffentlichen oder Kontakte zu Festival-Organisatoren zu knüpfen. Und damit landen sie eben auch auf den Bühnen, die ihr euch in der Sommersaison anschaut.
Gleichzeitig bietet das Festival auch viel Raum, um die nationalen und internationalen Musik-Netzwerke zu vertiefen oder überhaupt erst aufzubauen. Es ist also nicht nur eine Aufstiegschance für neue, unbekannte Bands, sondern auch der Ort, um neue Kontakte zu knüpfen und damit auch neue Ideen zu entwickeln.
Das es beim SPOT etwas anders zugeht, als z.B. beim Hurricane, fällt schon dadurch auf, dass die Gummistiefel und der gewachste Regenmantel getrost zu Hause bleiben dürfen. Im Gegensatz zu semi-wetterfesten Zelten, wohnen die Gäste ganz dekadent in den diversen Hostels, Hotels, Wohnungen von Freunden etc… der Stadt – urban Camping sozusagen. Dementsprechend kommt man kaum drum herum, neben diversen neuen Bands auch die Stadt Aarhus selbst kennen zu lernen, da die Venues großflächig über die ganze Stadt verteilt sind.
Neben großen Konzerthäusern wie dem Musikhuset, in dem verschieden-große Bühnen Platz haben, gibt es auch die typischen Clubs wie die Voxhall oder Radar, als auch eine Kneipe namens Sway, die mit ihrem Sound die Vielfalt der Musikszene auch außerhalb des Festivals mitgestalten. Vor dem Radisson-Hotel – quasi dem Hauptumschlagspunkt der ganzen Veranstaltung – das nicht nur verschiedene Bühnen sondern auch Konferenz-Säle bietet, stand zusätzlich noch ein kleiner Wohnwagen der dänischen Musikzeitschrift Gaffa. Hier hat die ein oder andere Band zur Abwechslung mal ein bisschen für open-air Feeling gesorgt und die Möglichkeit genutzt, das Publikum zu ihren späteren Hauptauftritten zu locken.
Sehr auffällig war durchgehend die überragend gute Akustik – und war die Venue noch so klein war, selbst beim gefühlt ein Meter-langen Gaffa-Wagen könnte sich der ein oder andere Tontechniker soundtechnisch noch etwas abgucken. Apropros kleine Venues – merke: möchte man eine Band auf dem SPOT unbedingt sehen, ist es ratsam sich frühzeitig vor die Türen der heiligen Hallen zu begeben! Die Venues sind streckenweise recht klein und es ist unglaublich nervig, manchmal 10-20 Min zu laufen, um dann nicht rein zu kommen, weil der Laden rappelvoll ist: “The venues have a limited capacity so if you want to have a good spot be there in good time before the concerts start.” (SPOT Online)
Musik, Musik, Musik
Musikalisch schien vor allem Elektro ein wichtiges Thema zu sein – sei das nun rohe elektronische Musik á la Farveblind, retrolastiger 80er Synthie-Sound bei Hollow Hollow oder gepitchte Frauen-Samples wie u.a. bei ticktock.
Hollow Hollow
30 Minuten Hollow Hollow und der Schweiß läuft! Die vierköpfige dänische Powerband hat sich dem Elektro-Pop verschrieben – den Eighties darf man sich nicht verwehren. Und egal, wie klein das Publikum ist, Frontman Jakob Kjærside macht einen auf Sam Russo von Foxygen und stürzt sich todesmutig auf 10 Menschen, um zu stagediven. Es ist tatsächlich die Kombination, die Hollow Hollow so interessant macht: junge Elektro-Pop-Boys, die live ihre Energie verballern — denn abgemixt und auf Platte vermisst man irgendwie etwas.
ticktock
ticktock, sind eine dieser Bands bei denen man sich fragt: warum zum Teufel haben die sich so genannt?! Denn entgegen dem – zugegeben wenig kreativen und dezent an eine Kika-Band erinnernden – Namen, haben ticktock einen wahnsinnig vielschichtigen und durchdachten Elektro-Sound. Kein einfaches Genre, um aus der Masse der Effekte-Rack-Kids herauszustechen! Und doch schafft es Sebastian Zieler – dänisch-englischer Kopf der Truppe – durch unvorhergesehene Tempowechsel und detailverspielte Akzente, einen in wabernde und traumhaft schöne melancholische Sphären zu entführen. Es ist die Präzision der elektronischen Beats und vermutlich auch die passende Light-Show, die ticktock, auch live funktionieren lässt. Auf jeden Fall auch Club-tauglich – wenn mans nicht zu energisch haben will. Da empfiehlt sich allerdings tatsächlich ein Schuppen mit gutem Soundtechniker, damit die glasklare Akzentuierung der Arrangements nicht als Geschrabbel endet.
Farveblind
Farveblind sind ein Elektro-Duo aus Dänemark. Es wird heftig auf der Bühne, ohne Ohrstöpsel nun wirklich gar nicht auszuhalten — aaaaber, den Kauf der Ohrstöpsel wert. Wer gerne heftig zu Elektro in Clubs abraved, kann mit der irre-energetischen Live-Show von Farveblind auf jeden Fall etwas anfangen. Die Grundbeats gehen stark nach vorne, das Schlagzeug setzt zusätzlich die passenden Akzente und die Light-Show ist simpel, aber echt umwerfend schön. Schon letzes Jahr hat sich gezeigt, dass auch Bands wie Kiasmos auf nächtlichen Festival-Bühnen bestehen können. Wer sich bei Farveblind lieber ins Zelt verkriecht, um schlafen zu gehen, der ist selber Schuld!
Auf dem SPOT wimmelt es nur so von jungen, aufstrebenden Bands und Künstlern – ein paar haben wir uns rausgefischt und zu ihren Projekten ausgefragt. Denn, wenn man mal ehrlich ist, viel mehr als die Namen der Bandmitglieder kann man selbst mit sehr guten Google-Skills nicht über die meisten SPOT-Bands herausfinden. Ausquetschen war also die Devise!
Gents
80er Sound-Deluxe, auch was die Klamotten und das ganze Drumherum angeht! Außderdem lassen sich Vocals und Instrumentierung gegenseitig sehr viel Raum – wahnsinnig retro und entschleunigt aber gleizeitig auf melanchonische Art unsagbar schön und dynamisch! Unbedingt sehenswert!
Alex Vargas
Alex Vargas und seinen Bandpartner Tommy Sheen haben wir euch bereits Anfang des Jahres beim Eurosonic Noorderslag 2016 vorgestellt. Unsere Begeisterung hält nicht nur an, sondern steigert sich noch. Wir saßen in einem riesengroßen Saal, eigentlich fast zu weit weg, um Alex Vargas zu sehen – doch die Show war einfach imposant. Es ist die gleiche Art und Weise, aufzutreten, die er schon ein paar Monate zuvor hatte – der Wechsel zwischen rein akustischen Songs, allein auf der Bühne; die Kombination aus ihm und Tommy Sheen, impulsiv und explosiv. Doch es ist das Drumherum, das professionalisiert wurde, dass auch aus der hinteresten Reihe die Show zu einem Erlebnis macht.
The Enormous Sea
Eine weitere Band, die sich in fröhlichem Nostalgieanfall bei den 60ern und 80ern bedient. Allerdings wesentlich weniger schwermütig als Gents und auch lieber mal mit mehr Gitarre als Synthies. Jung (wirklich jung!) und mit ordentlich Power.
Axel Flóvent
Einer der eher ruhigen Zeitgenossen beim SPOT 2016. Auch wenn er eine kleine Band um sich hat, hier explodiert nichts. Axel Flóvent ist ein Künstler, der eher die entschleunigten Minuten bespielt. Auf jeden Fall etwas für Freunde von idyllischen Momenten und getragenen Melodien. Seine EP gibt einen guten Eindruck dessen, was er auch auf der Bühne präsentiert: der ruhige isländische Singer-Songwriter von ums Eck.
The Entrepreneurs
Klassische Rock-Elemente der Vergangenheit vereint in The Entrepreneurs – zudem noch trashig, roh, energisch und irgendwie schmutzig. Verzerrte Stimme, der heftige Gitarren- und Schlagzeug-Sound, der eben zu einer Rockband gehört. Aber auch einfach dieser Antrieb, der vorherrscht! Auch ihre EP, eine reine Empfehlung.
Wen wir außerdem noch empfehlen können: Distortion Girls, Artificial Brothers, Ary, Powersolo und The Awesome Welles.
Fazit
Es ist wirklich schön, auf verschiedenen Bühnen, auf denen der Sound einfach umwerfend ist, verschiedene Künstler zu erleben.
Einen gewissen Charme verleiht dem Festival auch die Atmosphäre der Stadt. Denn von Konzertort zu Konzertort dauert es manchmal einige Minuten, in denen man die Dynamik der Stadt, die Gelassenheit der Dänen und die salzige Meeresluft in sich aufnehemen kann.
Gleichzeitig ist das auch der Minuspunkt des Festivals. So schön es ist, die Stadt und die Schauplätze zu sehen, so lange dauert es manchmal auch von A nach B zu kommen. Und wenn der Zeitplan gerade nicht so passt, tritt das Problem auf, dass man nicht in die Konzerträume reinkommt – denn, die Schlange ist schon zu lang, der Raum zu klein und bereits zu voll.
Ein Stadt-Rad für 20 Kronen borgen verkürzt den Weg, aber ist auch manchmal stressig. Wo ist die nächste Rad-Station und kann ich das Radel dort überhaupt wieder abstellen, steht es hinterher überhaupt noch dort? Hier können wir nur empfehlen einfach auf die Radstation zu pfeifen und den Drahtesel getrost hinter irgendeinem Busch zu verstecken – klappt auch ganz gut, versprochen!
Alles in Allem aber ein schöner Ort, der sich wirklich wahnsinnig viel Mühe gibt, ein kultureller Freiraum für Kreative zu sein und bei dem man an jeder Straßenecke merkt: hier liebt man Musik und die vor allem live! Ein schönes Entdecker-Festival im idyllischen Dänemark, mit vielen tollen Bands, die bald eventuell auch schon das Line-Up des ein oder anderen Festivals hierzulande schmücken!
Unsere Live-Empfehlungen (ohne Mist Leute geht da hin!):
Hollow Hollow, ticktock, Alex Vargas, The Entrepreneurs, Farveblind.
Text: Manon Hütter, Sophia Kisfeld; Fotos: Sophia Kisfeld