Bon Iver – SABLE, fABLE
Rezensiert von Redaktion on 16. April 2025

And damn if I’m not climbing up a tree right now – Willkommen zu Bon Ivers Märchenstunde.
Nach sechs Jahren Funkstille meldet sich der erfolgreiche Musiker Bon Iver, mit bürgerlichem Namen Justin Vernon, zurück und entführt uns auf seinem neuen Doppelalbum SABLE, fABLE in eine zunächst dunkle Welt aus Angst, Selbstzweifeln und Dunkelheit. Die zwölf Songs wurden gemeinsam mit Jim E-Stack produziert und beinhalten einige Features – eine Premiere für Vernon, der seit seinem ersten Album For Emma, Forever Ago (2007) bisher nur selbst als Feature-Gast auftrat. So ertönt seine Stimme beispielsweise auf “Monster” von Kayne West oder auf Taylor Swifts “exile”. Wie alle seine Alben ist auch SABLE, fABLE bei Jagjaguwar erschienen und während er seinem Label treu bleibt, probiert sich Bon Iver, der eigentlich eher im Indie-Folk beheimatet ist, nun auch im Bereich des R&B und untermalt seine emotionalen Texte mit elektronischen Noten.
Der Tonus der Vorab erschienenen EP SABLE (2024) ist melancholisch, ruhig und sanft, während die vier Tracks alle in Großbuchstaben nach Aufmerksamkeit schreien. Als Prolog legen sie die emotionale Grundlage für den fABLE-Teil, der nun am 11.04. erschienen ist. Denn während die ersten 12 Minuten des Albums von dunklen Wolken überzogen scheint, weicht diese Bedrücktheit mit “Short Story” einem sanften Licht, welches sich immer weiter ausbreitet und die kalten Gefühle verdrängt.
SABLE, fABLE erzählt die Geschichte einer inneren Gefühlswelt. Aber es ist auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die sich verlieren, suchen und eventuell auch wiederfinden. Besonders stechen hierbei die zwei Songs heraus, die bereits im Vorhinein als Singles veröffentlicht wurden. Als jeweils eigenständige Releases erblickten sowohl “Walk Home” und “If Only I Could Wait” am 14. Februar diesen Jahres das Licht der Welt und gaben einen Vorgeschmack auf die innere Zerrissenheit, die sich durch das Album und das Leben der beiden Protagonist*innen zieht. Den Beginn dieser Geschichte stellt “Everything is Peaceful, Love” dar. Es ist ein sanftes, elektronisches Portrait des Protagonisten, welcher sich auf die Reise in eine Liebesbeziehung- erst zu einer anderen Person und letztendlich zu sich selbst- begibt.
And everything is peaceful love / And right in me / And I know that we may go and change someday / I couldn’t rightly say / That’s for parting days
Und alles ist friedliche Liebe und diese Liebe ist auch in mir. Und auch, wenn ich weiß, dass wir vielleicht eines Tages getrennte Wege gehen, kann ich es doch, bis zum Tag des Abschieds, nicht aussprechen.
Walk Home treibt diese Gefühle dann auf den Höhepunkt- mit einem fröhlichen Sound erzählt er von inniger, alles einnehmender Liebe.
No, we don’t need no window curtains / And we can let the light come in / And we can shed your earthly burdens / Of this I am certain of / You was made for me
Wir brauchen keine Vorhänge; Wir können das Licht hineinlassen und unsere irdischen Bürden ablegen. Dessen bin ich mir sicher: Du bist gemacht für mich.
Doch das Happy End dieses Märchens bleibt vorerst noch versteckt und so liefern sich Bon Iver und Danielle Haim in “If Only I Could Wait” ein emotionsgeladenes Duett, welches das frühe Ende der gerade erst aufgekommenen Liebe besiegelt.
If only you could wait / Oh I ain’t at your pace yet
Wenn du nur warten könntest, denn ich bin noch nicht so schnell wie du.
Der Song ist eine dreiminütige Frage danach, wie lange die beiden noch aneinander festhalten könnten und endet mit der bitteren Erkenntnis, dass sie alleine glücklicher wären.
Scheint dies zunächst fernab von einem Happy End, so findet sich dieses zumindest in Bon Ivers Selbstzuwendung und der Leichtigkeit, die danach weiter herrscht. “There’s A Rhythm” ist der vorletzte Track und überzeugt mit seinen synthetischen Tönen und choralen Gesängen davon, dass auch die tiefste Dunkelheit Schönes bringen kann.
SABLE, fABLE ist eine Hommage an die Vielseitigkeiten unserer Gefühlswelt und es zeigt Bon Ivers persönliche Entwicklung; sowohl lyrisch als auch musikalisch. Aber auch früher bereits auftretende Motive finden auf dem neuen Album wieder Platz: Die Frage nach der eigenen Spiritualität und die Suche nach einem Halt ziehen sich durch Bon Ivers Märchenwald und finden Anklang in Tönen, die von Worship Music inspiriert sein, jedoch nicht auf Gott als religiöses Bild sondern vielmehr auf ein eigenes Spiritualitätsbild abzielt. Mit den Worten “I am afraid of changing” (THINGS BEHIND THINGS BEHIND THINGS) startet Vernon die dunkle Seite seines Albums. Veränderung ist dann jedoch genau das, was letztendlich passiert, denn in insgesamt 41 Minuten spiegelt SABLE, fABLE Bon Ivers persönliche und künstlerische Reise wieder, von der Auseinandersetzung mit inneren Dämonen hin zu einer Feier des Lebens und der Liebe.
Label: Jagjaguwar Veröffentlicht am: 11.04.2025 Interpret: Bon Iver Name: SABLE, fABLE