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Greentea Peng – TELL DEM IT’S SUNNY

Rezensiert von on 25. März 2025

       

TELL DEM IT’S SUNNY, above the clouded path of self-enquiry.”

Mit diesen Worten stellt uns die Londonerin Aria Wells uns allen besser bekannt als Greentea Peng ihr neues Album vor. Die Suche nach sich selbst ist wohl eines der zentralsten Motive der gesamten Menschheit. Auch in der Musikwelt drehen sich eine Unzahl von Alben um die zentrale Frage: “Wer bin ich?”. Auch wenn die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst wohl ein nie endender Prozess ist, scheint Greentea Peng doch zumindest eine hoffnungsvolle Zwischenlösung gefunden zu haben. TELL DEM IT’S SUNNY nimmt uns mit auf die Reise ins Innerste von Wells und lässt uns die Tiefen ihrer Seele ergründen. Dieser Prozess ist dabei eingebettet in einen feinen Klangteppich aus verschiedenen Genres wie  R&B, Soul, Jazz, Dub, Rock & Hip Hop und liefert schon fast einen Gesamtüberblick über sämtliche Genres, die im United Kingdom gerade angesagt sind. 

Der Prozess, sich mit dem inneren Selbst so intensiv auseinanderzusetzen, ist für Greentea Peng übrigens neu. Auf ihrem Debütalbum “Man Made” aus dem Jahr 2021 beschäftigt sie sich noch viel mehr mit den Dingen um sie herum: Corona, Proteste, Aufstände. Sie hat das Gefühl zu all diesen Sachen musikalisch Stellung beziehen zu wollen. Ihr jetzt erschienenes zweites Album bildet nun quasi den Gegenpol. Die Auseinandersetzung mit sich selbst. Und da gibt es einiges aufzuarbeiten im Leben von Aria Wells. 

credit William Spooner

Geboren wurde sie in London hinein in eine Schauspielerfamilie. Ihre Eltern trennten sich als sie zwölf Jahre alt war. Sie zog mit ihrer Mutter nach Hastings. Nur selten bekam sie noch ihren Vater zu Gesicht, der sie mit Künstlerinnen wie Lauryn Hill, Erykah Baduh oder Miss Dynamite in die Welt der Musik einführte. Wells selbst schrieb und performte Musik, wurde dafür aber in der Schule gehänselt, verlor ihr Selbstbewusstsein und stellte ihre Gesangskarriere mit 15 Jahren vorerst ein. Mit 17 zog sie es zurück nach London und sie fing an in Bars zu arbeiten. Es war auch in dieser Zeit, als sie stark medikamentenabhängig wurde. Sie suchte die Flucht im Reisen. Dabei besuchte sie unter anderem nach Peru. Hier kaufte sie von einem Händler eine Box der Teemarke “Greentea Seng” – sie beschloss den zweiten Teil der Marke durch das Londoner Slangwort “peng” zu ersetzen, was so viel wie “sehr attraktiv”oder “supergut” bedeutet und ihr Künstlerinnenname war geboren. Ihre längste Reise unternahm sie nach Mexiko. Dort performte sie bei einer Open-Mic-Veranstaltung Smile von Lilly Allen und wurde von der Band Los Hedonistas angesprochen, ob sie nicht die neue Frontfrau werden wolle. Diese Kombination hatte Erfolg und mit dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein verfolgte sie zurück in London ihre Gesangskarriere aktiver. 

All diese Erfahrungen und Emotionen spiegeln sich im neuen Album wider. Der Opener Bali Skit Pt.1 ist die Tür durch die wir die musikalische Welt von Greentea Peng betreten. Zunächst wird uns noch einmal der Albumtitel ins Ohr geflüstert, ehe ein Kind diesen nachmacht. Danach übernimmt eine wabernde Bassline, die von fast schamanischen Gesängen überlagert wird. Einzelne Textfragmente von Greentea Peng sind immer mal wieder zu hören. Kleine Spielereien mit Samples warten an jeder Ecke. Hier wird gleich klar, es folgt musikalisch etwas Besonderes. Mit Tardis (Hardest) sind wir dann so richtig im Album angekommen. Dieser Track hat etwas selbstermächtigendes. Er hat einen starken Hip Hop Einfluss. Über einen souligen Beat rappt Wells vom persönlichen hin zum universellen. Es folgt die Single One Foot. Mit einer gewaltigen Stimme fragt Wells im Chorus: “Is It too late for me? Have you deserted me?” Der mutige Ausruf ist Teil des Reflexionsprozesses. Steht sie ganz alleine da oder gibt es jemanden, der an ihrer Seite ist?

Mit Nowhere Man folgt wohl einer der eingängigsten Tracks auf dem Album. Eine Hommage an die Verlorenheit und dem Überkommen vermeintlicher gesellschaftlicher Ansprüche. Glory ist ein entspannter Tune, der sich um umfassenden Weltfrieden und Glauben dreht. My Neck ist Verarbeitung all der Belastungen, die auf der Sängerin liegen. Man trägt so viel Last mit sich rum, dass der Nacken schon weh tut. Wobei sie ihre Last nicht alleine trägt, auch der befreundete Sänger Wu-Lu hat hier einen netten Gesangspart. Create & Destroy liefert einen härteren Hip Hop Beat angesetzt mit Rockgitarren. Lyrisch setzt sich der Song bei der inneren Energie von Menschen an, die je nachdem in welche Richtung gelenkt wird, zerstörerisch oder aufbauend wirken kann. Mit Green liefert Wells einen Song, der die Konversation mit dem inneren Ich vertieft. Vom Sound her ist dieser tief im Trip Hop der 90er verankert und erinnert an Songs wie Glorybox von Portishead.

Die Strophen von Raw erinnern fast an tagebuchartige Sprachnotizen, ehe sich Greentea Peng im Refrain der rohen, unverblümten Wahrheit stellt: “I wanna hear it all… Tell me all my faults”. Sie stellt sich mutig all den Fehlern entgegen, die sie in ihrem Leben begangen hat. Ein sehr bewegender Song im Kern des Albums. Nicht minder emotional zeigt sich der Song Stones Throw und ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in einer sich auflösenden Beziehung. Die Basis von The End (Peace) ist der klassische gesampelte Amen Break, das meistgenutzte Sample aller Zeiten, das man vor allem aus dem Drum & Bass kennt. Gemeinsam mit dem Gesang von Wells wird allerdings eher eine Soulnummer daraus, abermals verbunden mit dem Wunsch nach (innerem) Frieden.

Nach dem interessant verspielten, lyrisch allerdings nicht ganz so spannenden Track Whatcha Mean folgt mit I AM (Reborn) nochmal ein wahres Highlight. Die Hook klingt direkt so, als hätte sie The Black Keys oder Kasabian eingespielt und darüber singt Wells mit entschlossener Stimme “I am not who I was yesterday. … so how could know me.” und liefert damit die perfekte Auflösung ihrer Reise in das innere Selbst, nämlich dass sie mit sich aufgeräumt hat und nicht mehr die unsichere Person aus vergangenen Tagen ist. Bali Skit 2 ist dann genauso wie der kryptische erste Teil am Anfang. Man geht aus der Tür, die ins Innere von Aria Wells führt, wieder heraus. Ein bisschen wie der Austritt aus einem Persönlichkeitsmuseum. Und natürlich scheint die Sonne. 

Greentea Peng liefert mit “TELL DEM IT’S SUNNY” einen wahnsinnig spannenden Einblick in ihr Innerstes. Hochemotioal, stark und mutig auf der einen Seite, aber auch mal verletzlich reflektierend bekommen wir einen Einblick in die spannende Persönlichkeit der Künstlerin. Ihre Produzenten Earbuds, Samo, Wu-Lu und Busy Twist bauen dazu tolle genreübergreifende Beats die dieses Emotionskunstwerk perfekt untermalen. Eine absolute Hörempfehlung. 


Label: Greentea Peng
Veröffentlicht am: 21.03.2025
Interpret: Greentea Peng
Name: TELL DEM IT'S SUNNY
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