Annie DiRusso – Super Pedestrian
Rezensiert von Anika Hagen on 17. März 2025

Zur Hälfte als Mensch und Pferd präsentiert sich Annie DiRusso als Zentaur auf dem Albumcover ihres Debütalbums „Super Pedestrian“. Anmutig im Wind posiert die Figur vor blau bewölktem Himmel auf einer sattgrünen Wiese. Der Titel öffnet mit Hilfe des ziemlichen eindringlichen Albumcovers gleich zwei Ebenen: Als “Super Pedestrian” (zu dt: Fussgänger*in oder auch prosaisch, schwunglos) ist DiRusso als Zentaur nicht nur zu Fuß unterwegs, der Titel verrät auch etwas über die prosaische Haltung in den Songtexten des Albums.
Die Künstlerin kommt aus dem US-amerikanischen Tennessee und veröffentlichte diesen März knapp zwei Jahre nach ihrer EP “God, I Hate This Place” ihr erstes Album. Darin verpackt DiRusso in 11 Songs und knapp 34 Minuten ihren selbst ernannten “Sad Girl Indie-Rock”, der einen nach Roadtrips, warmer Sommerluft und unüberlegten Entscheidungen sehnen lässt.
Musikalisch bietet uns “Super Pedestrian” vor allem den klassischen Indie-Rock Sound: eine runde Mischung aus verzerrten Gitarrenriffs vor allem im Chorus der Songs, einige stimmig platzierte Gitarrensoli sowie rohe Akkorde auf der Akustikgitarre. Gesanglich fügt sich die Stimme harmonisch in das Klangbett jedes Songs, auffällig ist hier vor allem die coole, aber auch trotzige, gleichgültige Attitude, die sich in Annies Stimme heraushören lässt.
Wer bei den Lyrics genau hinhört, erkennt Nahaufnahmen aus alltäglichen zwischenmenschlichen Situationen, die mit viel Liebe zum Detail mit meist nur wenig, gezielt ausgewählten Worten auskommen. In “I Am The Deer” schafft die Sängerin das Gefühl von Selbstsabotage und dem eigenen Bewusstsein darüber in den folgenden Versen genau auf den Punkt zu bringen:
I am the Deer, I am the Driver
Der Song malt das Bild davon, wie ein Reh erstarrt im Scheinwerferlicht eines immer näher kommenden Autos zu stehen. Grund dieser Ohnmacht ist das sprechende Ich in “I Am The Deer” selbst, mit der passenden Metapher, das Steuerrad fest umschlossen zu haben und sich dennoch parallel im eigenen Weg zu stehen.

Dass Annie DiRusso ihren Texten besonders durch metaphorische Bilder Ausdruck schenken kann, zeigt sich auch in “Wet”. Die Strophe ist voller Vergleiche, die ein Schlittern auf nassem Grund beschreiben. Im Chorus wird schließlich der Versuch verkündet, mit ganzem Willen zu versuchen, im Trockenen zu bleiben – allerdings erfolglos, denn Whatever you are, I’m covered in it. […] Doing my best to stay dry, but everything’s wet.
Über den Song sagt die Künstlerin:
You know when someone is all of a sudden everywhere? “Wet” is like that. It’s like playing the game where the floor is lava, but the person is lava and you’re scared to give in. “Wet” is inevitable. “Wet: is surrender. “Wet” is hot.
Mit Songs wie “Wet” zeigt sich die Sängerin nicht nur nahbar, auch bieten ihre Texte viel Anschlussfähigkeit für die Hörer*innen. Das Album durchwandert Beschreibungen von Erfahrungen im Datingkontext, sich selbst im Weg stehen oder auch ganz alltägliche Beobachtungen. Eben wie ein Zentaur, der anmutig, aber auch etwas ziellos durch die Landschaft zieht.
Als Support Act durfte Annie DiRusso bereits bei Indie-Sternchen wie Declan McKenna oder Samia auftreten, ab diesen Frühling geht sie in den USA und vereinzelten europäischen Städten auf ihre eigene Headline-Tour. Wer also live zu “Super Pedestrian” abgehen möchte, kann auf die UK, Irland oder einen Kurztrip nach Amsterdam setzen, denn bisher ist noch keine Europa-Tour der Sängerin angekündigt.
Label: Summer Soup Songs Veröffentlicht am: 07.03.2025 Interpret: Annie DiRusso Name: Super Pedestrian Online: Zur Seite des Interpreten.