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Interview mit World War Me

Geschrieben von am 17. Oktober 2017

Manchmal reicht schon ein simples Namedropping aus, um das Herz eines Punk-Jüngers höher schlagen zu lassen. „Gainesville” zum Beispiel – oder eben auch „Chicago”. Was für großartige Bands können diese Stadt nur ihre Heimat nennen? Rise Against, Fall Out Boy und irgendwie auch Alkaline Trio. Nun machen die nächsten Einwohner ganz schön auf sich aufmerksam: World War Me. Eine Band, die an eine frische, moderne Version von My Chemical Romance erinnert. Wir haben uns mit Sänger Stephen Krypel (Mitte) über das selbstbetitelte Debütalbum, seinen Weg in die Musik und seine ganz großen Helden unterhalten.

2015 habt ihr euch gegründet, 2016 habt ihr eure erste Single „War Zone” veröffentlicht, vor ein paar Tagen folgte dann das selbstbetitelte Debütalbum. Habt ihr vorher nie darüber nachgedacht, erstmal „nur” eine EP zu releasen?

Wir wurden gesignt als wir immer noch an unserer Musik gearbeitet und Songs geschrieben haben. Eines Tages mitten in den Aufnahmen hat mich jemand vom Label angerufen und gefragt, ob wir eine Full Length oder eine EP machen wollen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir etwa 20 Demosongs, die zumindest meiner Meinung nach alle ziemlich gut waren. Wir haben zwar auch viel darüber gesprochen, eine EP zu machen, aber wir hatten nun mal das Material. Warum es also auch nicht komplett verwenden?

Die Single „War Zone” wurde ebenfalls Teil des „World War Me”-Albums – warum habt ihr sie erneut veröffentlicht?

Abgesehen davon, dass wir den Song sehr mögen, haben wir dazu auch unser erstes Musikvideo veröffentlicht und fanden die Idee schön, den Song auch auf dem Debütalbum zu haben. Ich finde, das Album hat zwei Seiten: Die helle, poppige, eingängige Seite und das Düstere mit mehr Härte. Als wir das Album zusammengestellt haben, wurde uns schnell klar, dass es ohne „War Zone” nur zwei härtere Songs geben würde, wodurch die verschiedenen Seiten nicht so gut zur Geltung gekommen wären.

Wie lange habt ihr insgesamt an dem Album gearbeitet?

Ich habe mit unserem Produzenten Nick Matthews vier oder fünf Jahre lang zusammengearbeitet, alles auf „World War Me” ist in der Zeit entstanden. Der finale Aufnahmeprozess hat etwa ein Jahr gedauert – wir haben ein paar Songs hinzugefügt, andere wieder rausgenommen – das ganze Projekt hat aber schon vor vier, fünf Jahren begonnen. Viele Songs sind auch tatsächlich schon so alt.

Ich finde, das Album klingt nicht wie eine Kollektion irgendwelcher Songs, sondern klar strukturiert und durchdacht – als hättet ihr euch von Anfang an genau überlegt, in welche Richtung ihr gehen möchtet.

Der Grund, warum alles so lange gedauert hat, war, dass ich einen Sound für das Projekt festlegen wollte. Die ganze Arbeit hat letzten Endes nur zu der Antwort geführt, wie das Album schließlich klingen würde. Jeder Song, den ich geschrieben habe, war zu 100% ich – wir mussten uns nur entscheiden, welche es aufs Album schaffen und welche nicht.

Gibt es ein Konzept oder eine Geschichte hinter der Selftitled?

Es geht ganz simpel um all die Sachen, die ich in den letzten vier, fünf Jahren durchmachen musste. Was auch immer passiert ist, ich habe mich hingesetzt, Worte darüber geschrieben und eine Melodie hinzugefügt. Das Konzept ist mein Leben und alles ist durch Themenüberschneidungen zusammengekommen.

Ein Song, der auf „World War Me” immer wieder hervorsticht, ist „That’s So Yesterday”. Worum geht es dort genau?

An dem Tag, an dem wir gesignt wurden, an dem der Vertrag finalisiert wurde, haben wir mit der Band eine Party geschmissen und all unsere Freunde eingeladen. Wir hatten alle eine gute Zeit, der Alkohol ist in Strömen geflossen – Whiskey, Wodka, alles, was man sich vorstellen kann. Ich habe auch eine Ex-Freundin von mir eingeladen, die allerdings gleich von Anfang an viel zu viel getrunken hat, manches auch direkt aus der Flasche, und immer wieder versucht hat, mich ins Schlafzimmer zu führen, um mit mir zu schlafen. Mit diversen anderen Leuten hat sie allerdings auch rumgemacht, das hat sie nicht davon abgehalten. Irgendwann bin ich tatsächlich ins Schlafzimmer gegangen – aber nur weil ich müde war und schlafen wollte. Genau das hat sie aber nicht verstanden und immer wieder meine Aufmerksamkeit gewollt.

Irgendwann war ich so genervt, dass ihr gesagt habe, sie solle einfach gehen und mich in Ruhe lassen, woraufhin sie direkt zu weinen angefangen hat: „You don’t even love me anymore!” – „Yes, you’re my ex girlfriend, that’s the point of being exes!” Sie ist aus dem Schlafzimmer gestürmt, hat alles und jeden angeschrien, ist in ihr Auto gestiegen und hat beim Wegfahren auch noch das Auto der Schwester des World War Me-Gitarristen gerammt. Direkt am nächsten Morgen habe ich innerhalb von dreißig Minuten „That’s So Yesterday” geschrieben. Ich war so wütend und angepisst.

Weißt du noch, wann euer Sound zum ersten Mal von jemandem mit My Chemical Romance verglichen wurde?

Ja (lacht), das war unser Produzent Nick: „You guys have a really crazy sound and it reminds me of My Chemical Romance“. Wenn ich etwas schreibe, versuche ich nie, wie eine andere Band zu klingen, aber wenn das auf natürlichem Wege doch passiert, dann ist das cool – und genau das ist wohl passiert. Ich bin seit dem Release von „Three Cheers For Sweet Revenge” (2004) Fan von ihnen und anscheinend hat sich etwas von ihnen auch bei uns eingegliedert. In die Art wie wir schreiben und in den Sound, den wir haben. Es ist überwältigend, dass man uns mit ihnen vergleicht, ich versuche aber trotzdem sehr bescheiden zu bleiben. My Chemical Romance sind für mich Legenden, Götter. Es ist eine Ehre, mit ihnen verglichen zu werden!

Kannst du dich noch daran erinnern, wie du mit dieser Art von Musik in Berührung gekommen bist? Wie für dich alles angefangen hat?

Ich war zu der Zeit im Internat, habe eine Menge Drogen genommen, viel Scheiße gebaut und habe konstant in einer Art Nebel gelebt. Eines Tages saß ich bei einem Freund im Zimmer, er hat mir seinen iPod gegeben, ich habe ihn auf Shuffle gestellt und dann lief „You Know What They Do To Guys Like Us In Prison” von My Chemical Romance – es war wie ein Blitzeinschlag. Irgendwas ist in mir passiert. Die Musik, der Sound, die Angst, die Gefühle: Alles hat mich direkt angesprochen! Ich war schon immer vom Theatralischen und Kunstvollen angezogen, von harter und lauter Musik ebenso. Ich habe auch schon davor solche Musik geliebt, solch ehrliche Musik, aber zu diesem Zeitpunkt, in dem Moment, wo ich zum ersten Mal „You Know What They Do To Guys Like Us In Prison” gehört habe, wusste ich, dass ich Musik machen will – und das am besten für den Rest meines Lebens. Mir war es egal, ob es erfolgreich werden würde oder nicht. Ich wollte nur sagen können, dass ich es getan hätte, dass ich es versucht hätte. Wir haben das große Glück, dass es anderen Leuten gefällt, was wir machen, aber wir haben nie wegen des Geldes angefangen, es zu tun. Mir persönlich war die Leidenschaft immer am wichtigsten!

Weißt du noch, welches das erste Album war, das du dir selber gekauft hast?

Sum 41, „All Killer No Filler” (lacht) – ich liebe dieses Album immer noch. Als ich im Sommercamp war, gab es am Ende eine Art Tanz, eine Party, wo alle zusammengekommen sind. Irgendwann wurde „Fat Lip” von Sum 41 gespielt und ich bin ausgerastet und herumgesprungen. Ich habe den Song direkt geliebt! So schnell ich konnte, bin ich in den nächsten Laden gegangen, habe das Album gekauft und sehr lange immer wieder gehört – bestimmt dreißig- oder vierzigmal hintereinander. Ich habe jeden Akkord auf der Gitarre gelernt, damit ich die Songs nachspielen konnte. Wegen dieses Albums habe ich mit dem Gitarrespielen angefangen!

Und das ist nur absolut verständlich – das Album ist großartig! Kannst du dich denn auch noch an dein erstes Konzert erinnern?

Das waren – wen wundert es? – My Chemical Romance und es war echt cool! Ich kann mich noch sehr gut an den Abend erinnern. Ich habe diese Band so geliebt und es war so aufregend für mich, sie dann auch endlich live zu sehen. Was aber mindestens genauso schön war, war, sie mit Menschen zu sehen, die sie genauso sehr lieben wie ich. Sie mit Gleichgesinnten zu sehen. Sie live zu erleben, war außerdem so anders als sie auf Platte zu hören. Sie sind sowohl auf CD, als auch live großartig, aber es ist trotzdem total unterschiedlich. Die Alben nicht nur zu hören, sondern auch mit einem anderen Setting zu sehen, hat dazu geführt, dass ich mich nur noch mehr in sie verliebt habe.

Das ist auch etwas, was wir bei unseren Konzerten versuchen zu erreichen. Natürlich könnten wir „World War Me” so spielen wie es ist. Alles könnte perfekt klingen und wir könnten einfach dort stehen und es runterspielen. Aber wir könnten auch etwas Anderes machen. Wenn man zu unseren Konzerten geht, soll man etwas hören, was man noch nie in seinem Leben gehört hat!

Gibt es einen Song oder ein Album, wo du dir wünscht, du hättest es selber geschrieben?

Definitiv! Allein lyrisch so ziemlich alles von My Chemical Romance. Einer meiner Lieblingssongs ist „Heaven Help Us”, eine B-Seite von „The Black Parade” – ich liebe ihn so sehr! Die Akkordfolgen, das Tempo, einfach alles! Die Stimme, die Art wie der Text geschrieben ist. Als ich den Song zum ersten Mal gehört habe, habe ich mir tatsächlich sofort gewünscht, ich hätte ihn geschrieben (lacht).

Das Interview führte Leonie Wiethaup; Foto: SharpTone Records